Herrscher über Auto und Laster - und die Gerechtigkeit

Unter diesem Titel habe ich am 18. Januar 2008 (!) eine Geschichte veröffentlicht, an die ich mich gerade wieder erinnerte, weil ich erinnert werde: Peter Schutz, auch mal Porsche-Vorstandsvorsitzender, ist im Alter von 87 Jahren in den USA gestorben. Und man erinnert sich bei Porsche nun, dass er mal den Porsche 911 gerettet hat. Ich erinnere mich, dass seine Frau die „Erfinderin“ des „Schutz-Punktes“ auf der Innenseite der 911-Beifahrertür (in Gelb) war, die so den Türgriff besser finden ließ. - Porsche hat Schutz in einem Nachruf für seine Leistungen sehr gelobt, aber vergessen zu schreiben, dass man ihn wegen eines verspäteten Serienanlaufs ein Jahr vor Vertragsende – damals, 1987 – entlassen hat. - Aber kommen wir zur Geschichte von 2008. – Warum die überhaupt? - Weil hier ein Herr Schutz überhaupt keine Erwähnung findet, weil er zu dieser Zeit schon in den USA mit seiner Firma Harris and Schutz Inc. als Berater tätig war? - Warten Sie‘s ab! - Also nun zu der „schutzlosen“ Geschichte von 2008, die zeigt, dass auch VW, die heutige „Groß-Mutter“ von Porsche, schon vor dem Diesel-Skandal eine lustvolle Vergangenheit hatte:

Der Ex-Vorstandsvorsitzende Ferdinand Piech (VW AG) sagte am 9. Januar 2008 vor dem Landgericht Braunschweig als Zeuge aus. - Eigentlich habe ich es nicht verstanden. Denn Ferdinand Piech hatte schon am 29. März 2006 auf eigenen Wunsch (!) als Zeuge vor der Staatsanwaltschaft Braunschweig das zum Thema "VW-Affäre" ausgesagt, was er dann am 9. Januar 2008 - fast zwei Jahre später - mit Unterstützung seines Hamburger Promi-Anwalts, Prof. Prinz, noch einmal mit anderen Worten darstellte. Das wirkte so wie auch Werbung durch Wiederholung wirkt: nicht aufregend, aber einprägsam. Soweit ich das verfolgen konnte, wurden ihm Fragen gestellt, die kein Problem darstellten. Und die Antworten passten. - Schon bei der Zeugenaussage im Jahre 2006 war mir aufgefallen, dass Ferdinand Piech ausschließlich zum "Bereich der Veranstaltungen, Vergünstigungen und Reisen außerhalb dienstlicher Notwendigkeiten" Stellung nahm. Und dass Herr Stadler, den Piech zum Audi-Chef gemacht hat (so sehe ich das) dann am Tag vor seiner Zeugenaussage von Piech-Anwalt Prinz angerufen wurde, empfinde ich als passend. Die Zeugenaussagen angepasst. Piech erhielt dann noch die Möglichkeit einer öffentlichen Selbstdarstellung seiner persönlichen Leistungen im Falle VW: Alles wunderbar. Ich empfinde Ferdinand Piech so in seiner Rolle als:

Herrscher über Auto und Laster - und die Gerechtigkeit

08-01-18/06. - Die Gerechtigkeit ist teuer. In unserem Wirtschaftssystem. Denn ein Prof. Matthias Prinz, der "Rechtsbeistand" von Ferdinand Piech, braucht keine politische Unterstützung, um seinen "Mindestlohn" festzusetzen. Prof. Prinz rechnet pro Stunde ab. Und das zu einem Stundensatz, der viele Leute - auch mich - froh machen würden, wenn sie das am Tag verdienen würden. Aber was Prof. Prinz in der Stunde verdient, verdient Ferdinand Piech in - und jetzt fehlt mir leider die passende Zeiteinheit.

Schön, wenn zwei solcher Persönlichkeiten mit Vorbildfunktion vor Gericht erscheinen: Ferdinand Piech, der Herrscher über Automobil (VW, Skoda, Seat, Lamborghini, Audi, Bentley, Porsche) und Lastkraftwagen (Scania, MAN, VW-Transporter) und die Gerechtigkeit (dä Prinz kütt). Da sind alle beeindruckt. Auch die Zeugen. Und wenn man einmal genau hin schaut, dann sind die Zeugen eigentlich oft "Abhängige".

Vorbildlich auch, wie die Justiz die "VW-Affäre" durch einzelne Verfahren entwirrt hat. Peter Hartz ist schon mal gut weg gekommen (Bewährungs- und Geldstrafe). Schuster ist ein Sonderfall. Ex-VW-Betriebsratchef Klaus Volkert und Ex-VW-Personalmanager Klaus-Joachim Gebauer sind ausersehen, die "Aussätzigen des aktuellen Wirtschaftssystems" zu spielen. Das Ganze wirkt auf mich so, wie man es auch in schlechten amerikanischen Monumental-Filmen erlebt: die "kleinen Bösen" werden den Löwen zum Fraß vorgeworfen. Und: Alles wird gut!

Ich empfinde es einfach als genial, wenn Piech dem Gericht am siebten Verhandlungstag zur "VW-Affäre" mit einem "Gleichnis" (wie Jesus in der Bibel) erklärt, warum "seine" Revision "damals" (zu seiner Zeit) nicht schon die jetzt aufgedeckten Missstände aufgedeckt hat: Pro Jahr gebe es in Braunschweig (dem Sitz des Gerichts) rund 84.000 Straftaten, wovon rund die Hälfte nicht aufgedeckt würden. Und VW habe nun mal doppelt so viele Mitarbeiter wie Braunschweig Einwohner. - Vielleicht keine königliche, aber eine prinzliche Argumentation.

Wobei ich zur Persönlichkeit von Ferdinand Piech noch ein paar Worte sagen, meine Meinung darstellen möchte: Er ist ein Mann, der Zusammenhänge herstellen kann, evtl. auch kleine Anregungen für große Entscheidungen nutzt. Aber selbst große Dinge übersieht, wenn er es für richtig hält, sie im Interesse einer bestimmten Entwicklung zu übersehen. Er hat so etwas von der Art des Herrn von Kuenheim, ohne mit ihm vergleichbar zu sein. Ähnliche Denkstrukturen sind in völlig anderen Persönlichkeitsstrukturen verborgen. Aber beide achten auf Kleinigkeiten, auch wenn Piech vor dem Gericht in Braunschweig einen anderen Eindruck vermittelte.

Eberhard von Kuenheim blickte an einem Freitagnachmittag zufällig aus seinem Fenster und sieht unten BMW-Fahrzeuge das Werk verlassen. Und er fragt sich, was eigentlich an einem Wochenende mit den ungenutzten Testwagen geschieht. Und klärt das dann am Wochenanfang so, dass danach alles so verläuft, wie es eigentlich auch gedacht war.

Ferdinand Piech fuhr mit seinem Fahrrad (Rennrad - und natürlich Schutzhelm) unerkannt über das VW-Werksgelände, blickte - sich vielleicht an einer Fensterbrüstung festhaltend - mal hier, mal da durchs Fenster. Und mit dem ihm angeborenen (anerzogenen?) Chefblick machte er Schwachstellen aus. Die drinnen Arbeitenden fühlten sich unbeobachtet. Und Piech ließ die Dinge dann später richten. Sozusagen unauffällig.

Wenn ich ihn in seiner Audi-Zeit auf eine Bremsenschwäche seiner Fahrzeuge dadurch aufmerksam machen wollte, indem ich ein Fahrzeug mit qualmender Bremsanlage vor ihm abstellte, dann übersah er den eigentlichen Anlass, verschob den "Fehler" praktisch auf mich, indem er einen Audi-Mitarbeiter mit einem kurzen Blick "ermunterte", sofort die Bremsen "kühl zu fahren". Obwohl er vielleicht den Grund für meine "Demonstration" begriffen hatte.

Piech durchschaute nämlich selbst geschickt geplante Versuchsabläufe, die ihn zu einer bestimmten Entscheidung führen sollten (ich denke dabei an eine Fahrwerkabstimmung beim Golf) und sagte NEIN. - Er war da unbeeinflussbar. Aber als ihm - damals bei Audi - die Techniker mit dem, was ich als "Zirkusnummer" bezeichnen würde, den "quattro"-Antrieb "verkaufen" wollten, da übersah er (wohl innerlich grinsend) die "Zirkusnummer", weil er sofort die Möglichkeiten dieses Antriebs in Verbindung mit einem angestrebten Imageaufbau bei Audi erkannt hatte. Intuitiv.

So hat er sich dann nicht nur "intuitiv" vor dem Gericht in Braunschweig richtig verhalten, sondern auch während seiner "Amtszeit" als Gesamtvorstand in Wolfsburg. Alles zu seiner Zeit. Sowohl das Hin-, als auch das Wegsehen.

In einer "Beschuldigtenvernehmung" vom 19. Dezember 2005, beim LKA Niedersachsen (Dezernat 31, Tgb.-Nr. 200523295295), ist sehr schön zu lesen, wie "damals" die VW-Vorstände praktisch "Männchen" machten, wenn der Betriebsrat zu Gesprächen rief. Wo Abteilungsleiter evtl. wochenlang auf einen Gesprächstermin (z.B. mit Herrn Herrn Pischetsrieder) warten mussten, da wartete dann evtl. ein Herr Pischetsrieder lange darauf, von den Betriebsräten ins Besprechungszimmer gerufen zu werden. Er wartete artig.

Daran sieht man schon, wie wichtig der Betriebsrat von den Vorständen - bestimmt auch von Herrn Piech (der kein Dummer ist) - genommen wurde. Man ließ sich schon einiges gefallen. - Und nun wird vor Gericht zurück geschlagen. Es ist wie im Märchen: die Guten ins Töpfchen, die Schlechten ins Kröpfchen.

Nein, das Konto "1860" kennt man nicht. Warum auch? - So kleine Beträge interessieren doch keine wirklich "Großen". Das sind die gleichen Beträge, die nun die "kleinen Mitarbeiter" zu "großen Sündern" machen. - Ferdinand Piech sagte in seiner Zeugenaussage lt. Darstellung der Pressestelle der Staatsanwaltschaft Braunschweig vom 29.März 2006:

"Das Buchungskonto, über das die Abrechnungen dieser Veranstaltungen erfolgten, sei aufgrund seines vergleichsweisen geringen jährlichen Kostenvolumens auch keiner Kontrolle des Zeugen unterfallen."

Natürlich ist Korruption Korruption, bleibt Korruption, unabhängig von der Höhe der Beträge, so wie Betrug immer Betrug ist. Aber man muss schon sehr naiv sein, wenn man das, was heute in unserer Wirtschaft abläuft, den wirklich normalen Abläufen zuordnet. Ob es die "Gestaltung" der Strompreise ist, die Entwicklung der Benzinpreise betrifft (unter Berücksichtigung der Entwicklung des Euro-Wertes im Vergleich zum Dollar), ob es um Ausschreibungen oder Journalistenreisen geht: die "Großen" versuchen sich, ihre Meinung, ihre Preise, ihre (nicht immer guten) Absichten durchzusetzen. - Zurück zum aktuellen Prozess und dem, was man eigentlich dazu noch wissen muss:

Ferdinand Piech hat damals Peter Hartz als Mitarbeiter eingekauft. Auf Vorschlag des Herrn Betriebsratchef Klaus Volkert. Und Hartz erhielt sein Arbeitszinmer auf dem 13. Stock zugewiesen, exakt gegenüber dem Arbeitszimmer des Herrn Ferdinand Piech. Wegen der kurzen Wege. Und der so immer möglichen schnellen Abstimmung und Information. Aber natürlich hat man niemals über das gesprochen, was Dr. Helmuth Schuster in seiner oben schon präzise benannten "Beschuldigtenvernehmung" im Dezember 2005 als "Privilegien von Volkert" so beschrieb:

"...die er nutzen konnte, ohne dass darüber viel gesprochen wurde. Dies war nicht nur eine persönliche Entscheidung von Herrn Peter Hartz, sondern es war auch der Wunsch von Herrn Piech, des Gesamtvorstandes. Ich habe auch oft anlässlich der Vorbereitungen zu Veranstaltungen im Originalton mit Vorstandsmitgliedern darüber gesprochen, was man machen konnte und was man eben besser nicht machen sollte. Es gab jedenfalls zu meiner Zeit schon das Gefühl, dass alle Bescheid wussten. Aber es war auch das Bemühen im Hause, zur Gewährleistung erfolgreicher Arbeit gewisse Schlüsselpersonen zu haben. Herr Volkert hat mit Herrn Uhl und Herrn Widu.... (?? leider für mich schlecht zu entziffern, da handkorrigiert) in der Geschäftsführung ein sehr starkes Umfeld besessen."

Wenn Ferdinand Piech am 9. Januar 2008 nichts anderes zum Konto "1860" aussagte, als am 29. März 2006, dann kann man davon ausgehen dass er zumindest nicht an einem Gedächtnisschwund leidet, wie er leider in einem anderen Fall bei Ex-Bundeskanzler Kohl deutlich wurde. Aber warum hat das Gericht nicht gefragt, zu welcher Kostenstelle das Konto "1860" gehörte, wo es geführt wurde, wer zeichnungsberechtigt war?

Wer z.B. zeichnungsberechtigt war, muss es auch gekannt haben. Denn der erhält auch regelmäßige Übersichten über die "Verkehrszahlen", über Soll und Haben - und den Saldo. - Per Saldo also alles ganz einfach. - Und wieso wusste Ferdinand Piech vom "vergleichsweise geringen jährlichen Kostenvolumen", wenn er das Konto während seiner Zeit als Vorstandsvorsitzender gar nicht kannte?

Jahresabschlüsse von DAX-Unternehmen (und nicht nur da) werden von Wirtschaftsprüfungs-Unternehmen untersucht und dann auch in ihrer Richtigkeit durch Wirtschaftsprüfer bestätigt. Denkt man. Bei der Preussag ist aber z.B. vor einem Jahrzehnt passiert, dass die Jahresbilanz zwar falsch (oder gefälscht), aber trotzdem die Bestätigung durch einen Wirtschaftsprüfer erfuhr. Der war dann - alles Zufall - z.B. zwei Jahre vorher, zusammen mit seiner Frau - auf Kosten der Preussag in den USA zu den Olympischen Spielen eingeladen gewesen. Kosten ca. 35.000 DM. - Und dann war die Bilanz auch in Ordnung. Zufällig. - Weil etwas übersehen wurde? - Zufällig hat da dann der damalige Vorstandsvorsitzende der Salzgitter AG (die Preussag gehörte dazu) nicht mitgemacht, nicht unterschrieben. Da wurde der dann vom Aufsichtsrat "auf die Straße gesetzt". Und als der dann bei einem anderen Unternehmen die Geschäfts führte, das (zufällig) mit der Automobilindustrie zusammen arbeitete, da wurde diesem Unternehmen von seinen Kunden schnell bedeutet, dass man sie bald als Kunde verlieren würde, wenn man sich nicht vom "neuen Chef" schnell trennen würde. - Der ist dann auch ausgeschieden, freiwillig, um diesem Unternehmen nicht zu schaden. - Ein bis'chen ehrlich ist ja schön. - Aber ehrlich um jeden Preis?

In der Industrie arbeitet man auf der obersten Ebene schon zusammen. Man kennt sich, man trifft sich, man tauscht sich aus. Und stellt die Weichen. Die Treffen erfolgen z.B. ganz unauffällig bei Aufsichtsratssitzungen, wo man sich - obwohl eigentlich im "Hauptberuf" Konkurrenten - zu gemeinsamen Beschlüssen trifft und beim Essen nicht nur übers Wetter redet. - Aber zurück "zur Sache":

Zufällig habe ich den Namen dieses Wirtschaftsprüfers (bei der Preussag) unter dem "Bestätigungsvermerk" des Jahresabschlusses 2001 der Volkswagen AG gefunden. Das sind die Leute, mit denen man gut zusammen arbeiten kann. Sie sind empfehlenswert. Die kennen das Leben. Die leben auch gut. Und eine Hand wäscht die andere. Und beide das Gesicht.

Wer denkt da an Wirtschaftskriminalität? - Na ja, da macht schon mal ein Politiker so Druck auf einen Bankenchef, dass ein großes Unternehmen innerhalb von 24 Stunden zwei Mal den Besitzer wechselt. - Aber wenn es wem dient... - (Schröder gewann so eine Wahl, um es vereinfacht darzustellen.)

Aber ich sollte nicht zu viele Beispiele bringen. Vielleicht noch eins, aus der Zeugenaussage des Herrn Ferdinand Piech vom 29. März 2006. Da ist in der Presseinformation gegen Ende, notiert durch den Sprecher der Staatsanwaltschaft Braunschweig, zu lesen:

"Über weitere konkrete Inhalte ist zwischen den Beteiligten Stillschweigen vereinbart worden, weshalb weitere Auskünfte auch zugunsten der weiteren Ermittlungen und zum Schutz der Beschuldigten derzeit nicht gegeben werden können."

Darum gibt es dann jetzt den Schauprozess. Mit ohne Überraschungen. Und alle werden am Ende zufrieden sein. Jedem das Seine. - Es gibt eben doch Gerechtigkeit auf der Welt. -

Nur: man sollte auch hier nicht "zu dick auftragen". Das blättert dann vielleicht zu schnell ab. Und man blickt wieder ins wahre Gesicht unserer Wirtschaft.

Das stellt sich dann ein wenig realer dar (oder besser: man bekommt eine Ahnung davon), wenn der oben schon erwähnte Ex-Vorstandsvorsitzende der Salzgitter AG in Kenntnis der "normalen Abläufe" Zusammenhänge in der VW-Affäre zwischen Geschehnissen herstellt, die leicht von "Außenstehenden" übersehen werden.

So schreibt er am 11. Januar 2008 an den Innenminister des Landes Niedersachsen eine E-mail, in der man u.a. lesen kann:

"...im Rahmen seines Verhörs beim LKA-Niedersachsen und der Staatsanwaltschaft Braunschweig am 29. März 2006 wurde Herrn Piech folgende Frage gestellt: "Im Zuge der Ermittlungen zu Belustigungen des Betriebsrates in Hannover liegt die Aussage vor, wonach Herr Graser sich damit gebrüstet haben soll, dass er über einen Scheck über ca. 30.000 Euro verfüge, den er für eine Partyveranstaltung bekommen habe und der Ihre Unterschrift tragen soll.
Wie Sie wissen, liegen dem LKA-Niedersachsen bereits seit dem Jahre 2000 vielfältige Informationen zu schwerwiegenden kriminellen Vorfällen im Zusammenhang mit sexuellen "Belustigungen" (s.o.) innerhalb der Volkswagen AG vor."

Und der Ex-Vorstandsvorsitzende der Salzgitter AG verweist auf eine anhängende pdf-Datei, die eine Seite (246) aus dem STERN, Nr. 41/2005 wieder gibt. Daran schließen sich dann folgende Fragen an den Innenminister des Landes Niedersachsen an:

"1) Wurde der Vorstand der Volkswagen AG im Jahre 2000 durch das LKA über diese kriminellen Vorfälle informiert?
Als Vorsitzender des Vorstandes der Salzgitter AG, einem ebenfalls vom Land Niedersachsen beherrschten Unternehmen, wurde ich umgehend über sämtliche Ermittlungen der Polizeibehörden im Zusammenhang mit dem Unternehmen informiert. Derart schwerwiegende Vorfälle hat es allerdings bei der Salzgitter AG in meiner Amtszeit nie gegeben.
2) Von welchem Konto wurden die "Sex-Treffen", die Graser für VW-Leute auf Unternehmenskosten organisierte bezahlt?
3) Von welchem Konto wurde der 30.000 Euro-Scheck, nach dem Herr Piech befragt wurde, bezahlt?
4) Seit wann wissen Sie von den kriminellen Vorfällen in dem Landesunternehmen?
5) Seit wann Ihr Vorgänger im Amt, Herr MdL Bartling?
6) Sind Mitarbeiter und/oder V-Männer des LKA in die kriminellen Vorfälle unmittelbar verwickelt?
7) Ist Ihnen bekannt, dass innerhalb des offiziellen Buchungssystems der Volkswagen AG Original-Bordellrechnungen gefunden wurden?
(Anmerkung: es erfolgt hier ein Hinweis auf den Anhang 2, eine Wiedergabe der Seite 56 aus dem STERN.Nr. 26/2007)
8) Ist Ministerpräsident Wulff über die seit dem Jahr 2000 vorliegenden Erkenntnisse des LKA informiert?
9) Das Protokoll der Vernehmung von Herrn Piech durch das LKA-Dezernat 36 (Anmerkung: es folgen die Namen der Mitarbeiter) weist auf den Seiten 5 und 6 'Ungänzen' auf, die auf eine mögliche nachträgliche Veränderung hinweisen könnten."

Am Ende seiner E-mail weist dann der Schreiber den Herrn Innenminister darauf hin, dass er

"angesichts der Schwere der Betrugsvorgänge innerhalb der Volkswagen AG diese mail auch der EU-Spitze, der Generalbundesanwaltschaft, dem BKA und der Presse"

zugänglich machen würde.

So weit, so nicht gut. - Und dann gibt es am Dienstag, dem 15. Januar 2008 die Vernehmung des Herrn Pischetsrieder vor Gericht. Ob der wohl so gradlinig ist, wie der Ex-Vorstandsvorsitzende der Salzgitter AG?

Der Ex-VW-Vorstandsvorsitzende, Bernd Pischetsrieder, war in jedem Falle souverän. Er fuhr in einem VW Phaeton vor, erschien vor Gericht ohne Rechtsbeistand, ohne sonstige Begleitung. Und betonte, dass ohne den Betriebsratsvorsitzenden Klaus Volkert eine Wiedergesundung von VW nicht möglich gewesen wäre. Folglich wäre eine Vergütung seiner Arbeit auf dem Niveau eines Markenvorstandes auch gerecht gewesen. Pischetsrieder betrat das Gericht lächelnd und er verließ es nach rund eineinhalb Stunden wieder lächelnd. - Auch wichtig: Pischetsrieder wusste nichts von Lustreisen.

Audi-Chef Rupert Stadler war extra aus Detroit angereist und erschien mit stattlichem Anhang. Hatte aber wenig auszusagen und konnte - samt Tross - das Gericht nach gut zehn Minuten wieder verlassen. - Stadler war zwar so eine Art Büroleiter bei Piech, hatte aber niemals das Konto "1860" überprüft und - nicht gerade eine Überraschung: Er wusste nichts von Lustreisen.

Die Pischetsrieder-Vernehmung aber hat den Prozess beeinflusst. Im Sinne der Angeklagten. Darum wird das Gericht jetzt wohl erst einmal Soll und Haben der bisher gemachten offiziellen Aussagen gegeneinander aufrechnen, einen Saldo ziehen müssen. Vielleicht auch eine Korrektur vornehmen. Ausschlaggebend war da sicherlich die Aussage Pischetsrieders zur Bedeutung von Klaus Volkert für VW. - Nachdem Ferdinand Piech bewiesen hatte, dass ihm nichts zu beweisen war.

Ferdinand Piech war bisher in diesem VW-Prozess der Dreh- und Angelpunkt. Er ist eben nicht nur der Herrscher über Auto und Laster - sondern auch über die Gerechtigkeit. - Was immer man auch darunter versteht. - Piech kann mit allem umgehen.

MK/Wilhelm Hahne

PS: Wie passen Piech und Wiedeking zusammen? - Weil ich immer wieder danach gefragt werde - und um den Lesern dieser Geschichte eine entsprechende Rückfrage zu ersparen: Im Moment scheinbar gut, aber eigentlich gar nicht. Piech benutzt Wiedeking als Werkzeug. Und Ferdinand Piech wird den Zeitpunkt bestimmen, wann er das Werkzeug Wendelin Wiedeking nicht mehr benötigt. - Wenn Wiedeking mit Porsche in diesem Jahr nicht mehr in Detroit, bei der Auto-Show, vertreten war, aber Winterkorn, VW-Chef und "Piech-Gewächs", die Detroiter Ausstellung als wichtig und bedeutend bezeichnet, dann wird schon etwas von der Spannung deutlich, die da aufkommt. - Meine Meinung. -
Aktueller Anhang: Jetzt, 2018, begreift man beim Lesen dieser Geschichte erst, was so alles im letzten Jahrzehnt passiert ist. - Wenn man das alles kennt, begreift man auch, dass sich manches bei VW, Audi, Skoda, Porsche u.a. nicht begreifen lässt. - Obwohl eins Wirklichkeit ist: Peter Schutz ist im Alter von 87 Jahren in Florida gestorben. - Er war auch mal Spielball der Herrscher. - Obwohl er selbst als Chef galt. - Er hat sich um den Porsche 911 verdient gemacht. - Und seine Frau um die Markierung des Hebels zum Türöffner vom Porsche 911. - Damals! - Und Ferdinand Piech wurde aktuell angeblich durch Martin Winterkorn entmachtet. - Wer‘s glaubt wird selig! - Und Winterkorn hatte keine Ahnung vom „Diesel-Skandal“. - Nach dem Lesen dieser Geschichte muss man eigentlich begreifen, dass in unserer modernen Wirtschaft kaum etwas so ist, wie es uns in Presse-Informationen vermittelt wird. - Darum sind auch Journalisten unverzichtbar. Genauso wie Medien, die ihre „Wächter-Position“ wahrnehmen. - Und Leser, die sich die Zeit zum Lesen von langen Geschichten nehmen!

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