2018: Die letzten Touristenfahrten „alter Art“?

Die Nürburgring 1927 GmbH & Co. KG hatte den Start in die neue Saison auf den 11. März 2018 vorgezogen. Und machte schon im Winter darauf aufmerksam: “Preise beim Erlebnisangebot  „Touristenfahrten“ bleiben gleich“.  - Alles wie schon in 2017. - Für Motor-KRITIK Grund genug, beim Saisonstart mal einen Blick auf die Szene zu werfen. Nachdem wir versucht hatten, bei den unterschiedlichsten Stellen eine klare Auskunft zum Status der Rennstrecke „Nordschleife“ zu erhalten, die je nach Eingebundenheit „mal so, mal so“ ausfiel, war sicherlich interessant zu beobachten, ob sich in Details etwas geändert hat, nachdem z.B. die Vorlage der Unfall-Statistik der Polizei, in der die Unfallzahlen auf der Rennstrecke von der allgemeinen Statistik 2017  ausgeklammert waren, nicht gerade für eine klare Antwort auf die immer wieder auftauchende Frage sprechen: Ist die Nürburgring-Nordschleife nun eine Rennstrecke in Privatbesitz und damit auch eine Privatstraße, oder ist sie – und das nur bei den so genannten „Touristenfahrten“ - eine „Öffentliche Straße“? Für die letztere Version machen sich die derzeitigen Besitzer stark. Die Polizei reagiert – damit verglichen - „halbstark“, indem sie zwar – wie Motor-KRITIK recherchieren konnte – bei scheinbar (!) vorliegenden Verstößen gegen die StVO. Strafen verhängt, die  – soweit wir das feststellen konnten – aber bisher in keinem Fall gerichtlich eingeklagt wurden, wenn der Betroffene die Zahlung verweigerte. Außerdem erfasst man – was auch nicht gerade für eine klare Einschätzung der Situation spricht – die Unfälle auf der Privat-Rennstrecke in einer separaten Statistik. Obwohl das gegenüber der Polizeibehörde weisungsbefugte Innenministerium in Mainz die Nordschleife des Nürburgrings eindeutig als eine „Privatstraße“ deklariert hat. - Kann eigentlich jeweils für Stunden der Status einer Straße grundlegend geändert, umgewidmet werden? - So kommt man automatisch zu der logischen Frage:

2018: Die letzten Touristenfahrten „alter Art“?

Die Nürburgring 1927 GmbH & Co. KG scheint das nicht zu interessieren. Man bewirbt die Nürburgring-Nordschleife als Attraktion:

„Es sind beeindruckende Zahlen, die den einzigartigen Reiz der Nordschleife sofort begreifbar machen: 73 Kurven, 300 Meter Höhenunterschied, 17 Prozent Steigung. Das alles ist im Rahmen der Touristenfahrten auf einer Runde von 20,832 Kilometern Länge erlebbar.“

Wer wollte da widersprechen? - Man kann sich sicherlich darüber streiten, ob das derzeitige Angebot so attraktiv ist, wie es in einer Pressemitteilung dargestellt wird:

„Erstmals gab es 2017 flexible Konditionen für Fahrten unter der Woche sowie an Wochenenden und Feiertagen. Während der Öffnungszeiten von Montag bis Donnerstag kostete eine Runde Nordschleife 25 Euro. Von Freitag bis Sonntag und an Feiertagen gab es das Fahrvergnügen „Grüne Hölle“ für 30 Euro pro Umrundung. Ein Stint auf der Grand-Prix-Strecke (15 Minuten) kostete hingegen weiterhin 29 Euro. Das bleibt auch 2018 so, wie Nürburgring-Geschäftsführer Mirco Markfort erklärt: „Es gibt definitiv keine Preiserhöhung. Wir freuen uns, dass wir allen Touristenfahrern die einzigartige Fahrt durch die Grüne Hölle auch 2018 zu gleichbleibenden Konditionen bieten können!“ Hierzu gehören nicht nur die Rundenkontingente, sondern auch die Saisonkarte, die ebenfalls bei 1.900 Euro bleibt.“

Bei Rennen sind die Sicherheitsanforderungen an Teilnehmer und Veranstalter höher als bei den Touristenfahrten. Der DMSB, der Deutsche MotorSport-Bund, hält z.B. die Nürburgring-Nordschleife für so gefährlich, dass man – zusätzlich zu einer Fahrer-Lizenz – ein „DMSB-Nordschleifen-Permit“ vorschreibt.

Dass eine solche Vorschrift von diesem e.V. eine Farce ist, ändert nichts daran, dass es sich bei Nürburgring-Nordschleife um eine der anspruchsvollsten Rennstrecken auf der Welt handelt.

Das empfinden auch die Motorsport-Fans so, die auch in diesem Jahr in großer Zahl – z.T. von weit her – zum Nürburgring anreisten, um den Saison-Start 2018 am Sonntag, dem 11. März 2018 zu erleben.

Ich habe an diesem Sonntag keinen einzigen Polizeibeamten – auch kein Polizeifahrzeug auf der Strecke – ausmachen können, obwohl auch an diesem Sonntag natürlich (!) zu Unfällen gekommen ist.

Ein Adenauer Abschlepp-Unternehmen konnte so auch den Start in den Frühling am Nürburgring feiern, denn z.B. zur Beseitigung der drei Unfallwagen ausgangs „Fuchsröhre“ waren dann auch gleich drei Abschleppwagen notwendig. An der Unfallstelle war keine Polizei auszumachen. Sie wurde also in diesem Fall nicht gerufen. - Um die zukünftigen Unfall-Statistikzahlen zu schönen?

Erstaunlich war, dass der Veranstalter diesen Termin zwar – auch auf seinen Internetseiten – offiziell beworben hatte, aber man hatte keine entsprechenden Vorbereitungen getroffen. Der Parkplatz am „Brünnchen“ war zwar geöffnet, weil man wohl dem dortigen Imbissbetreiber (bei den geforderten Pachtsummen!) nicht das Geschäft beschneiden kann , aber…

...der Parkplatz am „Pflanzgarten“ blieb z.B. geschlossen. Weshalb sich auf den Verkehrsstraßen dann lange Schlangen von parkenden Fahrzeugen bildeten. Selbst die Zufahrt zum „Brünnchen“-Parkplatz war so verstopft, dass es zu einem Rückstau auf der B 412 kam, der den fließenden Verkehr von und nach Kempenich – wo es an diesem Wochenende eine Rallye gab – mehr oder minder stark behinderte.

Der Andrang der Zuschauer bei diesen ersten Touristenfahrten des Jahres 2018 war so groß, wie sonst nur bei sehr gut besetzten VLN-Veranstaltungen. Die Fotos vermitteln einen Eindruck vom Interesse der Zuschauer, die dann in einzelnen Gruppen das Fahrkönnen der einzelnen Touristenfahrer kommentierten und/oder darauf warteten, dass es früher oder später direkt vor ihnen zu einem „interessanten Dreher“ oder „Rausflug“ kommen würde.

Der kleine Parkplatz vor dem „Ticket Office“ war nicht nur zugeparkt, sondern auch wegen des aufgeweichten Bodens nicht gut zu begehen. Abgesehen davon, dass die hier zum Halten gezwungenen Autobesitzer, dann nach Kauf ihrer Rundenkarten den „Matsch“ in ihr Auto trugen. Das war aber sicherlich schnell vergessen, wenn es im Drift um die Kurven ging. An manchen Stellen fuhr man auch „dicht an dicht“. Und natürlich wurden die Rechtskurven von links angefahren. Schließlich war man auf einer Rennstrecke. - Oder auf einer Privatstraße, auf der die StVO. Gültigkeit hat? - Das müssen an diesem Sonntag hunderte von Nutzern übersehen haben.

Es waren auch – sicherlich zu wenige – Streckenposten im Einsatz. Deren Arbeit wurde durch Streckensicherungsfahrzeuge ergänzt. Sicherlich eine gute Idee, die aber nur dann sinnvoll ist, wenn deren Besatzungen auch gut ausgebildet sind und im Ernstfall nicht z.B. vergessen, ihr Fahrzeug nach hinten abzusichern!

Sonst kann eine Sicherheitsmaßnahme  auch zu einem Unfallgrund werden. - Wie z.B. in 2016. - Aber die Staatsanwaltschaft hat das Ermittlungsverfahren eingestellt. - Aus Überzeugung? - Oder weil man auch Weisungsempfänger ist?

Gedankenvoll bin ich nach dem Besuch der Rennstrecke an diesem Sonntag wieder zurück in meinen Heimatort gefahren, habe unterwegs noch einmal an einer Tankstelle gehalten und z.B. den Wagen eines Teilnehmers an den Touristenfahrten fotografiert, der gerade wieder aufgetankt wurde. Dieses Foto ist „kein Aufreger“? - Mich hat das Gesehene zum Nachdenken gebracht, weil ich mich ein wenig in der für die Branche verpflichtenden Gesetzgebung auskenne.

Richtig! - Ich habe das Kennzeichen nicht fotografiert. - Entschuldigung! - Ich habe mich bei der Weiterfahrt also gefragt: Ist das Steuerhinterziehung, wenn man… -

Lassen wir es bei diesem abgebrochenen Satz. Es gibt derzeit am Nürburgring größere Probleme. Die intern Verantwortlichen müssen sie kennen. Darum werden sie auch sicherlich meine im Titel gestellte Frage verstehen:

  • 2018: Die letzten Touristenfahrten „alter Art“?

Es hat schließlich keinen Zweck, wenn man Probleme vor sich herschiebt. - Man muss sie lösen!

Und es gibt noch mehr Sicherheitsprobleme am Nürburgring!

MK/Wilhelm Hahne

Korrektur & Ergänzung: Ein Leser informiert mich, dass sehr wohl die Polizei am Unfallort „Fuchsröhre“ zur Unfallaufnahme gewesen sei. Man könne das „im Netz“ überprüfen. - Es ist wohl ein Fehler von mir, nicht im Internet „gegengescheckt“ zu haben. - Entschuldigung! - Weil es Stimmen gibt, den den „Rückstau“ am Parkplatz „Brünnchen“ bezweifeln: Hier zwei Fotos.
Sie zeigen, dass sogar wegen Überfüllung des Parkplatzes „Brünnchen“ dort geparkt wurde, wo während eines VLN-Rennens niemals Fahrzeuge stehen – und dass der ausgewiesene Parkplatz wirklich voll war. - W.H.

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