H.-J. Stuck: Symbolfigur im deutschen Motorsport?

An seiner Person, an seiner Entwicklung, lässt sich sehr gut die Entwicklung des Motorsports in Deutschland aufzeigen. Gerade jetzt, kurz vor dem 46. ADAC 24h-Rennen auf dem Nürburgring, bin ich darauf gestoßen. Nicht durch Zufall, sondern aufgrund der Planungen, wie sie im Hinblick daraufhin erfolgen, für die Besucher dieses Rennens ein „Erlebnis-Paket“ zu schaffen, das gleichzeitig den Marketingabteilungen der Industrie gefällt und die Geldtasche des Veranstalters nicht gerade leert. Auch die Masse der Besucher hat sich in ihrer Zusammensetzung über die Zeit verändert, was sich nicht nur optisch durch die mehr und mehr werdenden „Schmierereien“ auf der Rennstrecke ausdrückt. So ist das aktuelle 24h-Rennen eigentlich inzwischen nicht anderes mehr, als „eine Hülle der 24h-Veranstaltung von Gestern“. Selbst die später – nach dem Rennen - vermeldeten Zuschauerzahlen werden ein Stück modernes Marketing sein. - Was ist eigentlich am Motorsport in Deutschland noch echt? - Ist da Hans-Joachim Stuck noch der echte Präsident einer echten Motorsport-Organisation? - Selbst die – der DMSB – ist eigentlich nicht mehr als ein normaler eingetragener Verein. Dessen Repräsentanten fallen durch bedeutende Selbstüberschätzung auf und durch die Darstellung von scheinbarer Macht. - Da liegt die Frage um die Bedeutung des Präsidenten dieses Vereins nahe:

H.-J. Stuck: Symbolfigur im deutschen Motorsport?

Der Name Hans-Joachim Stuck hat als Rennfahrer beim 24-Stunden-Rennen auf dem Nürburgring schon eine besondere Bedeutung. Der Sohn des „Bergkönigs“ gewann 1970 das erste 24h-Rennen in der Eifel im Gesamtklassement mit einem BMW, siegte 1998 mit einem BMW-Diesel, verwies  mit seinen Fahrer-Kollegen Christian Menzel, Andreas Bovensiepen und Marc Duez z.B. auch die favorisierten BMW M 3 auf die Plätze, wiederholte dann den Gesamtsieg 2004 auf einem BMW GTR, einem Benziner.

Schon das wäre ein Grund für einen DMSB-Präsidenten, in dieser Funktion in jedem Jahr in der Eifel zum 24h-Stunden-Rennen „vor Ort“ zu sein. Aber über die Jahre hat sich die Einstellung – nicht nur – eines Hans-Joachim Stuck zum Motorsport geändert. Das veränderte sich auch dadurch nicht ins Positive, dass er im April 2012 Präsident des Deutschen Motor Sport Bundes (DMSB) wurde.

2012 war auch privat ein wichtiges Jahr für ihn: Er heiratete zum vierten Mal.

Ich persönlich kenne Hans-Joachim Stuck sehr lange, kann schon beurteilen, ob und wie sich seine Einstellung zum Motorsport veränderte. Aus dem „Gaudi“-Bursch, einem richtigen Fahrtalent und hervorragenden Rennfahrer, wurde ein Präsident, zu dessen Praxis-Funktion er wenig persönliche Eigenschaften mit brachte, die man eigentlich dazu braucht.

Aber er hat seine neue Funktion optimal mit seinem in der Vergangenheit gewonnenen Renommé als Rennfahrer zu verbinden gewusst – und profitiert davon. Wobei er dabei wenig Rücksicht auf die Erwartungshaltung seiner Umwelt nimmt. Hans-Joachim Stuck ist kein Politiker, kein Freund von langen strategischen Planungen. Er ist ein Freund von schnellen Ergebnissen, am liebsten solchen, die zu seinem Vorteil ausfallen.

Ich kann mich – weil 18 Jahre älter als er – noch gut daran erinnern, als ihm sein Vater zum ersten Mal das Steuer eines Automobils überließ. Das war 1963 auf der Nürburgring-Südschleife. Hans-Joachim war 12 Jahre alt. Schon vier Jahre später machte er seinen Führerschein. Mit einer Ausnahmegenehmigung.

Hans-Joachim Stuck hat sich ihr später im Rennsport würdig gezeigt. Er war geradezu ein Künstler in Sachen Fahrzeugbeherrschung. Und das bis in ein – für einen Rennfahrer – relativ hohes Alter.

Ich habe ihn persönlich nicht nur auf dem Beifahrersitz in einem Porsche – damals als Porsche-Werksfahrer - auf regennasser Rennstrecke erlebt, sondern auch später – er ging auf die 60 zu – bei Versuchsfahrten auf der Nürburgring-Nordschleife in der Rennversion des VW Scirocco, bei denen man bei VW-Motorsport versuchte, das Renn-ABS-System für einen Allradler zu optimieren. TEVES war damals der Systempartner.

Ich habe mir damals zur Beobachtung seiner Fahrkünste eine Stelle im Bereich „Wehrseifen“ ausgesucht und seine Art der Nutzung eines Renn-ABS mit der seiner jungen Rennfahrer-Kollegen vergleichen können: Keiner der jungen Leute nutzte das Renn-ABS so optimal wie Hans-Joachim Stuck!

Auch hier war Hans-Joachim Stuck als Rennfahrer immer (noch!) besser als seine jungen Kollegen.

Mit dem 24h-Rennen im Jahre 2011 – inzwischen exakt 60 Jahre alt – beendete Hans-Joachim Stuck offiziell seine erfolgreiche Rennkarriere. - Um nun seinen Namen – auch im Interesse seiner zwei Söhne – weiter zu vermarkten.

Und natürlich fährt er heute noch – gegen eine kleine Schutzgebühr – Passagiere in einem GT3 aus dem VW-Konzern durch die „Grüne Hölle“. - Er macht „Taxifahrten“ vor den jeweiligen VLN-Rennen, wie andere kommerzielle Rennteams auch. ­ Kleine Scherzfrage: Mit DMSB-Nordschleifen-Permit?

Seit 2012 schmückt sich nun der DMSB, der Deutsche MotorSportBund, mit ihm und seinem guten Namen im Motorsport als Präsident. Für diesen e.V. stellt er sicherlich ein respektables Aushängeschild dar. Aber es sichert ihm sicherlich nicht das Einkommen, welches er zum Erhalt des gewohnten Lebensstandards benötigt.

So ist er dann, auch weil‘s gut bezahlt wird, heute – so nebenbei - für den VW-Konzern tätig. Man findet Hans-Joachim Stuck zu allen möglichen Gelegenheiten in immer anderen Firmen-Jacken. Mal ist es die von Audi, mal die von VW; gerne darf es auch die von Porsche sein.

Da muss der DMSB dann auch schon mal auf seinen Präsidenten verzichten. Zum Beispiel beim 24h-Stunden-Rennen im letzten Jahr auf dem Nürburgring. Diese Motorsportveranstaltung ist sicherlich die größte in Deutschland, aber darauf kann – in unseren „modernen Zeiten – ein Präsident des nationalen Motorsport-Dachverbandes keine Rücksicht nehmen.

Und so war Hans-Joachim Stuck im letzten Jahr mit zahlungskräftigen Kunden einer Hapag-Lloyd-Luxusreise während es Wochenendes, an dem in der Eifel das 24h-Rennen lief, in Monaco als „Fremdenführer“ beim Formel 1-Grand-Prix unterwegs, der am gleichen Wochenende stattfand.

Wer weiß schon, was Hans-Joachim Stuck an dem Wochenende getan hätte, an dem in diesem Jahr das 24h-Stunden-Rennen in der Eifel stattfindet, hätte ihn nicht der Ruf des VW-Konzerns ereilt, sozusagen als „Marken-Botschafter“ dann für die Firma Porsche im Einsatz zu sein. - Natürlich gegen (gute) Bezahlung!

Hans-Joachim Stuck, der DMSB-Präsident, wird also in diesem Jahr bei der größten Motorsportveranstaltung des Landes in der Eifel sein. Dieses Mal also in einer Porsche-Jacke. Ich wage zu behaupten: Dieses Mal wird‘s ihm auch richtig Spaß machen. Nicht nur, weil er dafür gut entlohnt wird, sondern weil ihn dieser Einsatz persönlich auch an „seine gute alte Zeit“ erinnern wird.

Hans-Joachim Stuck wird hier mit helfen, eine Idee der Marketingabteilung von Porsche umzusetzen, die ihn hier einen der erfolgreichsten Sportwagen der Motorsport-Geschichte, einen Porsche 956, steuern lässt. Stuck hat mit diesen Sportwagen das Fahren von Rennautomobilen mit Groundeffekt im Grenzbereich erlernen dürfen. Zu Anfang war er deutlich langsamer als seine damaligen Kollegen, zu denen übrigens auch Harald Grohs gehörte.

Der hat ihm u.a. gesagt, worauf es beim Fahren mit solchen Aerodynamik-Wundern ankommt, die auch auf Fahrwerkeinstellungen ganz anders reagieren als ein normaler Tourenwagen. Natürlich ist auch hier die Standhöhe wichtig, aber Veränderungen wirken sich hier anders aus.

Man muss als Fahrer z.B. auch bereit sein, über Grenzen - die man zu kennen glaubt - hinaus zu gehen, weil hier der Groundeffekt Grenzen verschiebt. Der Porsche 956 war das erste Rennfahrzeug mit Groundeffekt, das Hans-Joachim Stuck bewegen durfte.

Stuck hat im Porsche 956 auch die damalige Porsche-Getriebeneuentwicklung, das so genannte PDK-Getriebe erproben dürfen. Man kennt es inzwischen auch bei anderen Herstellern als Doppel-Kupplungsgetriebe. Der Gewichtsunterschied zwischen dem normalen PDK- und dem normalen 5-Ganggetriebe, betrug damals 15 Kilogramm. Soviel war das PDK-Getriebe schwerer. Damit es nicht zu einer Wettbewerbsverzerrung kam – und der Unterschied zwischen den beiden Getriebearten auch in den Zeiten deutlich wurde – mussten die Fahrer-Kollegen in den Porsche-Werkswagen Gewichte von 15 Kilogramm zuladen.

Rund um die Welt war Hans-Joachim Stuck damals – 1983/84 – mit dem Porsche 956 in fast 20 Renn-Einsätzen unterwegs. Die Wiederbegegnung hier am Nürburgring mit diesem Sportwagen wird ihm sicherlich Freude bereiten.

Porsche hat aber nicht den Auftritt des Porsche 956 hier vorbereitet, um Hans-Joachim Stuck eine Freude zu bereiten. Denn Porsche wird auch den Porsche 919-Hybrid in einer „Super-Version“ zum Nürburgring bringen lassen, um dem staunenden Publikum einen Rennsportwagen – außerhalb jedes Reglements entstanden - zu präsentieren, der z.B. am 9. April 2018 in Spa den Kurs schneller als der bisher schnellste Formel 1 - ein Mercedes mit Lewis Hamilton – umrundete.

Die Einen nennen es eine tolle Marketing-Idee, ich nenne es „Kirmes-Kram“.

  • Dieser reglementferne Super-Sportwagen des Jahres 2018 wiegt rd. 850 Kilogramm und leistet 720 PS.
  • Der dem damaligen Reglement entsprechende Porsche 956 des Jahres 1983 wiegt rd. 820 Kilogramm und leistet 640 PS.

Der größte Unterschied liegt in den aerodynamischen Hilfsmittel und der Elektronik insgesamt. Porsche will beide Fahrzeuge dem staunenden Publikum zum 24h-Rennen sozusagen im Parallel-Flug vorführen lassen.

Der Porsche 956 ist übrigens der Sportwagen, mit dem Stefan Bellof die Nürburgring-Nordschleife, exakt nur diese 20,832 Kilometer, in 6:11,13 min umrundete. Ich war damals zu den vorbereitenden Testfahrten am Nürburgring vor Ort, habe mich auch mit Stefan Bellof über seine Eindrücke und Erfahrungen unterhalten.

Stefan Bellof war ohne Zweifel ein Ausnahme-Talent, dem es leider an der normalen Sicherheitsfunktion eines Menschen mangelte: Angst!

Hans-Joachim Stuck hat sicherlich andere Mängel, die aber in die heutige Zeit passen und ihn da besonders überlebensfähig machen. Das heißt aber nicht, dass er damit ein guter DMSB-Präsident wäre.

Aber er war einmal ein hervorragender Rennfahrer.

Ich freue mich sehr für ihn, dass er in den nächsten Tagen noch mal das Erlebnis wiederholen kann, einen Porsche 956 zu bewegen.

Es gibt sicherlich an diesem 24h-Stunden-Rennwochenende Dinge, die unerfreulicher sein werden. Über das vorher gehende Reglement-Gewirr wurde hier schon geschrieben – wird aber leider auch noch zu schreiben sein.

Wenn man sich als aufmerksamer Beobachter des Motorsports zwischen Gestern und Heute nun fragt, warum bei den Rennerfolgen beim 24h-Rennen für BMW, dann Hans-Joachim Stuck hier in der Eifel nun in 2018 einen Auftritt mit/für Porsche hat: Da müsste man den BMW-Vorstand fragen!

Es hätte durchaus einen Anlass gegeben, hier in der Eifel mit einem BMW-Diesel Renntourenwagen zu erscheinen. - In diesem Jahr jährt sich zum 20. Mal der weltweit einzige Gesamtsieg eines Diesel-Renntourenwagens in einem international bedeutenden Langstreckenrennen! - Es war ein BMW 320d! - Schon vor 20 Jahren war er – wenn er betriebswarm war(!) – bei Volllast ohne eine „Schwarzrauchfahne“ unterwegs.

Aber trotzdem – und weil die aktuellen BMW-Führungskräfte da ein wenig ahnungslos sind - hatte man wohl in München derzeit im Hinblick auf die noch vorhandenen Auswirkungen des Diesel-Skandals so seine Bedenken.

Obwohl Hans-Joachim Stuck, wenn man seine Motorsport-Karriere so verfolgt, eigentlich auch mehr ein BMW-Mann ist, immer ein besonderes Faible für BMW hatte. - Aber BMW ist aktuell „sportlich“ mehr und mehr zurückhaltender geworden. Hier oben am Nürburgring hat inzwischen AMG die Rolle von – früher – BMW übernommen.

Alles verändert sich eben! Auch ein Hans-Joachim Stuck ist ja heute nicht mehr das, was er einmal war.

MK/Wilhelm Hahne
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