Elektro-Rennmotorräder am Sachsenring: Unsinnig!

*** Ab sofort - 9. Juli, 11 Uhr - mit aktuellen Fotos vom Sachsenring ***

Der Motorsport verkommt zur Satire. Gerade am letzten Wochenende gab es dazu eine Reihe von Beispielen, die nachdenklich machen sollten. Da wurde das Endergebnis des vor rd. zwei Wochen zu Ende gegangenen 24h-Rennens aufgrund von Vergehen gegen die „BoP“ korrigiert. Da durften sich Zuschauer, die am Fernsehen einer DTM-Übertragung folgten fragen, warum der Hersteller von Katzenfutter gerade in ihnen die richtige Ansprechpartner für eine entsprechende Werbung sieht. Solche, die schon am Sonntagfrüh den Fernseher eingeschaltet hatten, um mal einen Einblick in die an diesem Tag laufende Motorradveranstaltung am Sachsenring zu gewinnen, die immerhin mit „Großer Preis von Deutschland“ getitelt war, die konnten sich über ein Rahmenrennen zum „FIM Enel MotoE World Cup“ wundern. - Man geht mit der Zeit, lässt sich von politischen Strömungen beeinflussen, erwartet den Beifall der Ahnungslosen. - Wer eine „BoP“ als unglaublich wichtig und richtig empfindet, die nach besonderen „Spielregeln“ ausgetragenen Rennen der Formel E als spannend empfindet – obwohl er die Regeln eigentlich nicht versteht – der wird sicherlich auch so kurze Show-Einlagen mit E-Motorrädern als toll und zeitgerecht empfinden. Schließlich gibt es schon nach Minuten ein Ergebnis! - Da wird der Morgenkaffee auch beim Zuschauen nicht kalt. - Wer das allerdings realistisch betrachtet, der „hat den Kaffee auf“ und kann nur feststellen:

Elektro-Rennmotorräder am Sachsenring: Unsinnig!

E-Fahrräder, E-Roller, E-Automobile, E-Lkw, Rekorde mit E-Rekordfahrzeuge auf vielen Rennstrecken: Die Öffentlichkeit wird auf E-Mobilität eingestimmt. Die Marketing-Maschenerie arbeitet zuverlässig. Da sind dann auch die so genannten „Sport-Behörden“ gefragt. Und auch die FIM (Fédération Internationale de Motocyclisme, die man „modern“ auch mit International Motorcycling Federation benennt) hat reagiert und hat – vorsichtiger Weise – keine Meisterschaft, sondern einen „World Cup“ für E-Motorräder ausgeschrieben.

Was sich bei Straßenbahnen bewährt hat, bei Automobilen im Kommen ist, kann für Motorräder nicht falsch sein. Die Herren möchten sich nicht den Vorwurf machen lassen, dem Fortschritt im Weg zu stehen, nein, man möchte die Entwicklung hin zum E-Antrieb fördern.

Der Sachsenring stellte die erste Station der neuen E-Serie auf zwei Rädern dar. Eigentlich sollte nach der ursprünglichen Planung schon im Mai in Jerez das erste Rennen durchgeführt werden, aber leider waren in der Nacht zum 14. März 2019 dort alle für den Einsatz vorgesehenen 18 Einheitsmotorräder mit E-Antrieb nach einem Testtag abgebrannt.

Hinter vorgehaltener Hand wird geflüstert, dass wohl beim Ladevorgang… - Egal! - Motorradsport mit E-Motorräder passt in den „Mainstream“. - Also „streamt“ man nun in den nächsten drei Jahren – aber nur in Europa – mit.

Eigentlich waren ursprünglich Rennen von je 10 Runden Dauer vorgesehen. Aber am Sachsenring fand man eine Sondersituation vor. Die Strecke war am Morgen noch stellenweise feucht. So hat man – obwohl nur 8 Rennrunden vorgesehen waren – dann die Renn-Distanz, auch wegen einer zusätzlichen Informationsrunde, auf 7 Rennrunden festgesetzt. Die Veranstalter bewerben diese Moto-E-Rennen als „ein komplett neues Motorrad-Rennerlebnis“. Die Rennen werden mit einem „Einheits-E-Motorrad“ des italienischen Herstellers „Energica“ durchgeführt.

Zufällig ist der Sachsenring die kürzeste Strecke im GP-Rennkalender, nur 3,671 Kilometer lang, so daß an diesem Sonntag die Renndistanz exakt 25,697 Kilometer betragen hätte. Theoretisch konnte das Rennen also nach rd. 10 min zu Ende sein. - Doch es wurde in der Realität noch kürzer!

In der Startaufstellung sah man dann nicht nur die 18 E-Motorräder, sondern auch die 18 „Mobile Unit“, mit denen die Motorräder – wegen der Installationsrunde – nicht nur nachgeladen wurden, sondern die auch zum Vorwärmen der Reifen genutzt werden konnten. Der Rennstreckenbelag war witterungsbedingt kühl und ich habe mich gefragt, wie denn ein serienmäßiger Slickreifen, mit dem deutlichen Mehrgewicht dieser E-Motorräder (gegenüber den GP-Rennmaschinen) und dem deutlich höheren Drehmoment der E-Motoren zurecht kommen würden.

Die Leistung der E-Motoren wird auf um 170 PS, das fahrfertige Gewicht der Rennmaschinen (!) auf 260 Kilogramm und das nutzbare Drehmoment auf 200 Nm geschätzt. Dabei ist nur eine „kleine“ Batterie mit 20 kWh Leistung verbaut. Die wird dann im Fahrerlager in der Realität mit großen Dieselaggregaten aufgeladen, weil die E-Infrastruktur an den Rennstrecken nicht für das schnelle Nachladen von Elektrofahrzeugen in solchen Zahlen – wie nun am Start – ausgelegt ist.

Hier reiche ich drei Fotos vom Sachsenring nach, die einen kleinen Eindruck von der notwendigen Infrastruktur für die 18 E-Rennmotorräder vermitteln und die hier nicht weiter kommentiert werden sollen. Natürlich werden die Ladestationen auch – wie viele anderen Details – zu dieser nicht gerade kostenmäßig günstigen Marketing-Aktion mit „Sichtblenden“ geschützt.

Theoretisch – so wird offiziell erklärt – werden die Renn-Bikes über mobile Ladestationen nachgeladen, die sich natürlich(!) - was sonst? - der Solarenergie zum „Nachfüllen“ bedienen. So sollten diese E-Rennmotorräder eigentlich – entsprechend der Planung – 10 Rennrunden auf einer normalen Rennstrecke durchhalten können.

Nun hatte man sich am Sachsenring – obwohl es eine kurze Rennstrecke ist – aus Sicherheitsgründen (?) nur für 7 Rennrunden entschieden. Wie mir nach Start des Rennens schnell klar wird: Die Minderung der Rundenzahl erfolgte nicht mit Rücksicht auf die Batterie-Kapazität, sondern mit Rücksicht auf die Reifen! - Hier paßt dann wunderbar das oft verwendete geflügelte Wort:

„Es wird gefahren, dass die Fetzen fliegen!“

Als aufmerksamer Beobachter muss man sich fragen, wer so eine Art von Motorradrennen überhaupt verantwortet? - Wenn ich mir vorstelle, wie 200 Nm nicht nur auf die Reifen, sondern auch auf Ritzel und Ketten wirken, wie über 300 Kilogramm (fahrfertig) die Bremsen belasten, dann ist eine solche Demonstration der Praxistauglichkeit der derzeitigen E-Technologie bei einem Zweiradfahrzeug im Rennbetrieb eigentlich kaum verantwortlich.

Immerhin hat man für den Fall eines Unfalls Vorsorge getroffen. Die es angeht wurden geschult, die Feuerwehr ist im Bilde und es gibt im Fahrerlager sogar ein Spezialbecken, in das man ein durch einen Unfall beschädigtes Motorrad – wegen der evlt. auch geschädigten Batterie – insgesamt untertauchen lassen kann. - Wegen der unkalkulierbaren Brandgefahr!

Zum Glück kommt es zu einem Sturz (Unglück?), bei dem der Fahrer nicht verletzt wird, aber durch die Helfer sofort vor der Unfallmaschine eine Sichtblende aufgebaut wird. Sonst wird damit ein evtl. verletzter Fahrer vor Blicken der „Zuseher“ geschützt, in diesem Falle soll die Arbeit der eingesetzten Strecken-Marshals am verunfallten Motorrad „unsichtbar“ bleiben.

Es könnte evtl. potentielle Interessenten vom Kauf von mit E-Motoren – und den entsprechenden Batterien (!) - ausgestatteten Fahrzeugen abschrecken. Denn in der Praxis ist einiges anders, als es solchen Interessenten bisher verschwiegen wird. Man darf z.B. als Besitzer eines E-Automobil ohne entsprechende Sonderausbildung (mit Abschluss und Urkunde) noch nicht einmal die Räder selber wechseln!

Da der Unfall in der 6. Runde des Rennens erfolgte und sofort die „rote Flagge“ (= Rennabbruch) gezeigt wurde, erfolgte die Wertung des Rennens nach 5 Runden oder nach 18,355 Kilometer. (Nur zum Vergleich: Die Nürburgring-Nordschleife allein ist 20,382 Kilometer lang.)

Das nächste Rennen mit E-Rennmotorrädern findet am…

11. August 2019 auf dem „Red Bull“-Ring in Spielberg (Österreich)

 

statt. Zwei weitere Rennen sind mit je zwei Läufen...

am 15. September 2019 in Misano (Italien) und
am 17. November 2019 in Valencia (Spanien)

geplant.

Schau‘n wir mal, über wie viel Runden diese Rennen durchgeführt werden, da bei diesen Rennstrecken die Rundlängen alle größer sind als beim Sachsenring.

Vielleicht gelingt es Michelin, bis zu diesen Rennen neue Reifen zu entwickeln, die ein längeres Rennen zulassen. Und es darf keine Stürze geben, weil die bei diesen Elektro-Rennern dann aus Sicherheitsgründen gleich zum Abbruch des Rennens führen müssten.

Um hier noch einmal deutlich meine Meinung in Motor-KRITIK niederzuschreiben:

  • Diese Rennen mit solch‘ schweren und drehmomentstarken E-Rennmaschinen sind vollkommen unsinnig!
MK/Wilhelm Hahne
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