„Pflanzgarten“: „Tausendmal ist nix passiert“!

Klaus Lage hat das 1984 zum ersten Mal gesungen. Da war ich vielleicht schon tausendmal über den „Kleinen Sprunghügel“ am „Pflanzgarten“ gefahren. Mit Automobilen und Motorrädern. - Und nix war passiert. Ich bin auch sicherlich mehr als tausendmal am Zaun gestanden, habe nicht nur bei Industriewochen den Testfahrern zugeschaut, wenn sie diese Stelle passierten. „Damals“ habe ich schon mal gedacht, wie toll doch alles ineinander übergeht. Die Bundesstraße 412 war im Bundesbesitz, die Rennstrecke Nordschleife war im Bundesbesitz. Dann war die Rennstrecke in Landesbesitz, aber da die LBM (Landesbetrieb Mobilität) für die Pflege der Bundesstraßen verantwortlich ist, hatte sich eigentlich wenig geändert. - Nun stand ich in diesen Tagen wieder am „Pflanzgarten“ und schaute den „Erlkönigen“ mit einem Blick nach rechts entgegen – und dann mit einer Kopfwendung nach links nach. Und irgendwann wurde mir klar, dass die aktuelle Situation nicht mehr mit der „von früher“ zu vergleichen ist. Die Bundesstraße 412 war – wie vorher auch – in Bundesbesitz. Die Rennstrecke Nordschleife ist aber nun in Privathand. - Wo verläuft da eigentlich die Grenze? - Das habe ich mich gefragt. Und dann steht auch eine Würstchenbude sehr nahe an einem grünen Drahtzaun, der nahe der Bundesstraße errichtet ist. - An wen zahlt denn eigentlich der Würstchenbuden-Besitzer seine Pacht? - Ich musste mir die Antworten auf meine Fragen selber besorgen. Am Nürburgring spricht niemand mit mir, ich erhalte von dort keine Auskünfte. - Schon lange nicht mehr! - So bin ich dann zum ersten Mal in meinem Leben bei einem Katasteramt gewesen. - Danach war ich schlauer. Nun kann ich – wie Klaus Lage – eigentlich nicht mehr singen:

„Pflanzgarten“: „Tausendmal ist nix passiert“!

Die Würstchenbudenbesitzer rund um den Nürburgring sind – von zwei Ausnahmen abgesehen – zum Verkauf einer Einheitsbratwurst verpflichtet. Erstmals in diesem Jahr. Und natürlich zur Zahlung von Pachtgebühren.

Und bei der Nürburgring 1927 GmbH & Co. KG wundert man sich, dass der Bratwurstumsatz nun zurück geht. Da das System „östlich“ beeinflusst ist, droht man. Auch deswegen, weil man wahrscheinlich Abnahmeverpflichtungen gegenüber dem derzeitigen Lieferanten eingegangen ist.

Dieser neue Würstchen-Generalist liefert für den Nürburgring nicht seine normale „Stadionwurst“, sondern produziert jeweils Chargen speziell für den Verkauf in den Würstchenbuden am  Nürburgring. Aber leider werden die an den Renntagen an der Nordschleife nicht immer abverkauft. Darum muss „der Rest“ „eingelagert“ werden. (Sprich: Eingefroren.) - So gibt‘s dann vielleicht später frische (aufgetaute) Bratwurst.

Das ist wie mit den Einheitsreifen bei bestimmten Klassen bei der VLN. Irgendwer möchte zusätzliche Einnahmen generieren. - Es geht immer um Geld! - Jeder argumentiert auch so, dass nur dieses System den Erhalt der bisherigen „Erlebniswelt“ garantiert. Im Fall der Würstchen ist die Nürburgring 1927 GmbH & Co. KG der „Zusatzkassierer“, da er nun nicht nur die Pachtgebühr für das Aufstellen der Würstchenbuden auf seinem Gelände kassiert, sondern zusätzlich noch am Verkauf der Würstchen verdient.

  • Das hat die Bratwürste im Einkauf für die Würstchenbunden-Besitzer deutlich teurer gemacht!

Es lässt sich natürlich alles argumentieren. Weil es eigentlich nichts gibt, was sich nicht argumentieren lassen würde. Und wenn der Stärkere argumentiert, dann nickt der Schwächere. - So auch bei dem Zwang, alle Würstchen von der Nürburgring 1927 GmbH & Co. KG zu kaufen.

Man stimmt dem „Stärkeren“ zwar zu und muss sich nun anders um den eigenen Vorteil bemühen. Unsere Gesellschaft ist nicht mehr die der Nachkriegszeit, sondern die des Wirtschaftwunder-Booms. Dass der längst vorbei ist, hat man übersehen. Nur der ist heute von Bedeutung, der die Bedeutung des Euro respektiert indem er den Sinnspruch, „Leben und leben lassen“ einfach vergisst. Das versuchen in diesem Fall sowohl der Pächter des Nürburgrings, als auch die Pächter der Würstchenbuden.

Das alles muss man wissen, wenn man am „Pflanzgarten“ steht. Jedenfalls ist es mir so durch den Kopf gegangen. Und ich habe mich gefragt:

  • Wo verläuft eigentlich die Grenze zwischen Bund und Privat?

Aber vorher habe ich das getan, warum ich in diesem Moment eigentlich hier stand: Ich habe fotografiert:

Da kam der neue – noch nicht in Serie produzierte – BMW M3 vorbei. Er bremste – wie alle Industriefahrzeuge die ich beobachtet habe, vor dem „Kleinen Sprunghügel“. Das ist sicher. Früher, im Rennen, habe ich immer nach dem „Kleinen Sprunghügel“ gebremst. Aber mein Rennfahrzeug hatte auch kein ABS! - Mit ABS ist die Bremsung danach deshalb kritisch, weil die Räder der Hinterachse erst wieder voll den Boden berührt haben müssen, bevor man auf die Bremse tritt. Sonst ist die ABS-Software überfordert, der Fahrer spürt ein „hartes Pedal“ und dann  - den Einschlag in die Leitplanken.

Dann erschien ein neuer, bisher unbekannter McLaren an der „Pflanzgarten“-Einfahrt. Hier fahren die Reifenspezialisten auf, weil sie eigentlich die Kurven für eine bestimmte Art von Versuch nicht brauchen, sondern mit einer langen Geraden zufrieden sind. - Was man auf dem Foto nicht sehen kann, schließe ich aus den relativ schmalen Reifen: Es ist ein Hybrid-Fahrzeug. Natürlich – wie ich hören konnte – mit einem Doppelkupplungsgetriebe. Auffallend ist der Plexiglaseinsatz in den Türen. - Vielleicht wird so ein „Toter Winkel“ ausgeschaltet, der bisher noch niemandem aufgefallen ist.

Als dann ein weiterer Reifentester erschien, kam auch die Würstchenbude ins Bild, die aktuell erst am Wochenende beim letzten VLN-Lauf für die Zuschauer Bedeutung hat. - Aber ich als Journalist hatte einen „Aha-Effekt“. So nahe an der B 412! - Das macht sogar das Überschreiten der Bundesstraße, hinüber zum Parkplatz auf der anderen Straße zu einer Gefahr, weil man nach links so wenig sehen kann. - Und überhaupt:

  • Steht diese Würstchenbude auf dem Grundstück des neuen Nürburgring-Besitzers?

Bei der Recherche im Internet habe ich nicht das gefunden, wonach ich suchte. Ich hatte zwar schon mal etwas vom „Straßenlichtraumprofil“ gehört, ohne mir etwas genaues darunter vorstellen zu können. - Also habe ich mal auf den Internetseiten der LBM, dem Landesbetrieb Mobilität Rheinland-Pfalz nachgeschaut. Und nichts gefunden. Selbst dann nicht, wenn ich als Suchbegriff „Straßenlichtraumprofil“ eingegeben habe

Also habe ich die LBM angeschrieben. - Und auch nach einigen Tagen – bis heute – dem Einstelltag dieser Geschichte: Keine Antwort! - Aber ich habe mich inzwischen anderswo schlau gemacht!

Aber eigentlich entstand diese Geschichte am Standort „Pflanzgarten“, wo ich fotografierte. Ich weiß nicht, wie Fotografen denken. Aber ich fotografiere als Journalist. Und ich denke mir immer etwas dabei, wenn ich durch den Sucher der Kamera blicke

Natürlich mache ich auch Stimmungsfotos, wie das, welches den FIA-Zaun als Fangzaun für Blätter im Herbst zeigt, garniert von einem „Liebesschloss“ und einer „Fotoschlitz“ im FIA-Zaun. Aber ich habe – weil vorher zum Nachdenken angeregt, auch die Würstchenbude und ihren Abstand zur Straße in einem Foto dokumentarisch festgehalten. Neben diesem „Esslokal“ nahe der Nordschleifen-Rennstrecke, steht natürlich auch eine Toilette. - „Tout confort“! - Wie ich inzwischen zu wissen glaube, hat der grüne Zaun einen Abstand zum Fahrbahnrand, den man für das „Straßenlichtraumprofil“ als richtig empfindet: 1,25 m!

  • Aber wo verläuft denn heute die Grundstücksgrenze zwischen Bundes- und Nürburgring-Besitz?

Da habe ich dann zunächst mal „Google“ bemüht. Die dort abgebildete Würstchenbude habe ich rot markiert. Die „Google“-Aufnahme ist leider nicht aktuell. - Dann habe ich mal nach dem aktuellen Grenzverlauf geschaut, der 2018 in die Kathasterunterlagen eingetragen wurde. Auf dem mir zugänglichen Kartenmaterial habe ich feststellen können, dass der Bundesrepublik Deutschland noch ein paar Meter neben der B 412 gehören. Daneben beginnt dann – wie man es in einem Thekengespräch verständlich darstellen würde, das „russische Gebiet“. (Die Grenze ist mit „dickem Strich, Punkt, Punkt, Strich“ gekennzeichnet!)

  • Wo steht nun aktuell die Würstchenbude? - Auf Nürburgring- oder Bundesgebiet?

Um sicher zu sein, bin ich dann zu einem Katasteramt gefahren, nachdem ich vorher geklärt hatte, welches Katasteramt mir eigentlich helfen kann. Die Dame an der Servicestelle war sehr nett, hat mir die Grenzen auf einem Computer angezeigt und auf meine entsprechende Frage am Computer ermittelt:

„Das müssten ungefähr fünf Meter sein, die vom Straßenrand aus gemessen bis zur Grenze des Nürburgring-Besitzers dem Bund gehören.“

Das entspricht auch meiner Feststellung, die ich bei einem weiteren Besuch am „Pflanzgarten“ noch einmal überprüft habe:

  • Die aktuelle Würstchenbude am „Pflanzgarten“ steht nach meinen Feststellungen auf Grund und Boden der Bundesrepublik Deutschland und nicht auf dem, der „capricorn NÜRBURGRING Besitzgesellschaft GmbH“, die von der NR Holding AG beherrscht wird.

Also müsste der Würstchenbudenbesitzer eigentlich seine Pacht an die Bundesrepublik Deutschland zahlen und könnte dann Bratwürste von jedem Lieferanten kaufen, der sie ihm in einer guten Qualität und zu vernünftigen Preisen liefert.

Aber der Besitzer der Würstchenbude am „Pflanzgarten“ möchte wohl sicher keine „Unruhe“, weil sein Onkel „ein wichtiger Mann“ bei der Nürburgring 1927 GmbH & Co. KG ist.

Diesem Nürburgring-Pächter kann man nur den Spruch vorhalten, den er – aus anderem Grunde – selbst geschaffen hat und den man auch auf dem Parkplatz gegenüber der Einfahrt „Pflanzgarten“ finden kann:

„Sei Vorbild!“

MK/Wilhelm Hahne
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