Mercedes-Benz Classic-Archiv: Kann wertvoll sein!

Aus Erfahrung gesagt: Ein gut geführtes Archiv kann Entscheidungen untermauern, Auch aus Erfahrung hier notiert: Das beste Archiv ist für die Öffentlichkeit wertlos, wenn es ausschließlich zu einer Positiv-Darstellung der eigenen Person oder Firma genutzt wird. - Das – und noch mehr – ist mir eingefallen, als ich eine Presseinformation gelesen habe, die im Raume Stuttgart geschrieben wurde und von der „Historischen Kompetenz“ berichtet, die nun seit 85 Jahren Daimler-Benz- (oder auch Mercedes-Benz) vermitteln. - Wenn Archive entsprechend genutzt werden! - Manchmal wäre es gut, wenn sie genutzt würden! Erhält man aber als Außenstehender immer die Auskunft, die im Archiv zu der Anfrage zu finden wäre? - Motor-KRITIK hat auch hier – schon vor Jahrzehnten – Erfahrungen im Umgang der Stuttgarter Presseabteilung mit deren Archiv-Geheimnissen gemacht. Manchmal ist eben jeder Versuch zwecklos, wenn er zum falschen Zeitpunkt erfolgt. - Oder wenn man nicht sicher sein kann, dass die Archiv-Auskunft im für das Stuttgarter Unternehmen positivem Sinne verwendet wird. - Darum kann ich hier – auch aus Erfahrung mit den „Stuttgartern“ – die immer zutreffende Feststellung treffen:

Mercedes-Benz Classic-Archiv: Kann wertvoll sein!

Mit Bestimmtheit lässt sich auch nicht alles im nun 85 Jahre klassisch geführten Archiv der Daimler AG finden. Dafür müssten Schriftstücke, Dokumente vorhanden sein. Manches wuŕde aber mit Bestimmtheit nicht dokumentiert, bleibt darum vielleicht so lange ein Geheimnis, wie jemand, der seine Erfahrungen „im Kopf spazieren trägt“, nicht darüber spricht oder schreibt.

  • Denn nicht alles wird – selbst in so einem gut organisierten Konzern – schriftlich dokumentiert!

Nehmen wir doch einmal den Windkanal des Unternehmens, den „großen Windkanal“ in Untertürkheim, den es schon seit 1954 (Fertigstellung) gibt, der immer auf den letzten Stand gebracht, auch der Konkurrenz oder Presse und Fernsehen (gegen eine kleine Schutzgebühr) zur Verfügung stand. Würde jemanden die technischen Daten interessieren, so würde er u.a. erfahren:

„Maximale Windgeschwindigkeit 250 km/h“

Toll! - Da staunen selbst erfahrene Fachjournalisten. Die Auskunft wäre aber korrekt. Bei der entsprechenden Anfrage eines Journalisten würde der auch sicherlich entsprechendes Bildmaterial zugesendet erhalten. Da darf dann das Foto mit den „Rauchfäden“ nicht fehlen, die optisch die „Stromlinie“ von  Karossen verdeutlichen, aber eigentlich nichts mit der Top-Windgeschwindigkeit eines Windkanals zu tun haben. - Aber es macht sich gut!

Was sicherlich (garantiert!) nicht in den zugestellten Informationen zu finden sein wird:

  • Diese „Rauchfäden“ werden bei einer Windgeschwindigkeit von 50 km/h fotografiert. Bei Geschwindigkeiten darüber „zerreißen“ sie praktisch, sind optisch unbrauchbar.
  • Theoretisch kann man in dem Untertürkheimer Windkanal zwar mit 250 km/h messen, aber leider in der Praxis nur, wenn eine solche Messung vorangemeldet – und in der Nacht – erfolgt, weil sonst in Untertürkheim wegen des dafür erforderlichen Energiebedarfs „alle Lichter ausgehen“ würden. - Darum werden 200er-Werte oft auf Basis der „unteren Werte“ errechnet.

Als Motor-Journalist sollte man das wissen! - Aber wer weiß das schon? - Selbst die, die Auskünfte erteilen – die sie aus dem Archiv erhalten – kennen kaum die Zusammenhänge.

So ist das auch mit anderen Informationen, die man von Firmen – gleich ob aus der Presseabteilung oder Archiv erhält: Man muss sie möglichst aus eigener Erfahrung werten können. Denn „moderne“ Presseabteilungen sind nicht dazu da, die Öffentlichkeit realistisch zu informieren, sondern so, dass von den Aktivitäten der eigenen Firma ein positives Bild, ein positiver Eindruck entsteht.

Die Daimler AG meint dazu in einem offiziellen Hinweis auf ihr Archiv aktuell:

„Die Archive sind das Gedächtnis des ältesten Automobilherstellers der Welt und bieten – digital wie vor Ort – wichtige Services für das Unternehmen selbst sowie für Nutzer aus Wissenschaft, Medien und anderen Bereichen.“

„Für das Unternehmen selbst“ hat – wie dargestellt – das Archiv durchaus auch seine Bedeutung:

Als z.B. in den 80er Jahren für die DTM ein neuer Rennmotor entwickelt werden sollte, da haben deren Konstrukteure sich erst mal im Archiv schlau gemacht, wie denn ihre Vorgänger so ein Thema – und mit welchen Mercedes-typischen Überlegungen – das Thema angegangen sind, bevor sie selbst den ersten Zeichenstrich aufs Papier warfen. - Das steht nun zwar nicht im Archiv, aber Motor-KRITIK weiß das deshalb, weil ich damals schon Gespräche „auf der unteren“ Ebene geführt habe.

Natürlich auch auf der „oberen Ebene“, von denen aber so manches auch nichts im Archiv zu finden sein wird. Professor Niefer wird dem Archiv sicherlich nicht kundgetan haben, warum seine Frau als Hauptabteilungsleiterin geführt wurde. Oder wie aus einem schlecht aussehenden alten 190er, als Geschenk für seinen Sohn (aus erster Ehe) zum 18. Geburtstag gedacht, dann ein flotter „Vierventiler“ wurde.

Im Archiv wird auch kaum zu finden sein, wie in der Produktion Leichtmetallfelgen – unauffindbar – verschwinden konnten. Es gibt sicherlich im Archiv auch keinen Nachweis dafür, warum Norbert Haug einmal Rennleiter bei Mercedes werden konnte, weil doch Jochen Neerpasch… - .

Als Motor-Journalist sollte man eben vieles wissen, was leider nicht in Archiven zu finden ist, noch nicht einmal in einem so gut geführten, wie dem der Daimler AG. - Mit dem offiziellen Wissen aus 85 Jahren! - Da würde man zwar – hätte man die Zeit und die offizielle Genehmigung dazu – sicherlich eine Menge Interessantes finden. - Aber auch in den Kopf eines Motor-Journalisten passt eine Menge Erlebtes und Recherchiertes. - Und das ist jeweils sofort abrufbar!

Bei einer Anfrage bei Mercedes, zu einem Ereignis, das im Archiv nachzuverfolgen sein müsste, kann es einem Journalisten aber schon mal passieren – dass nichts passiert. Ich kann da einen Fall aus eigenem Erleben schildern:

Ich wollte vor Jahrzehnten noch einmal in Motor-KRITIK an einen Unfall erinnern, der im Jahre 1962 beim „Große Straßenpreis von Argentinien“ passiert war. Damals – wie heute – stand natürlich da der Gesamtsieg eines Mercedes im Vordergrund, der von der Schwedin Ewy Rosqvist und ihrer Beifahrerin Ursula Wirth errungen wurde. Gegen 257 gestartete Konkurrenten – darunter drei weitere Mercedes-Werkswagen (220 SE), nachdem man man 4.626 Kilometer in sechs Etappen zurück gelegt hatte. Nur 43 Fahrzeuge erreichten das Ziel. Auch die drei „Kollegen“-Fahrzeuge der Gesamtsiegerin wurden als „Ausfall“ registriert. Darunter war auch der von Hermann Kühne, der leider tödlich bei diesem Straßenrennen verunglückte und in einem verschlossenen Zinksarg nach Deutschland zurück kehrte.

Natürlich hatte ich „damals“, direkt zum Unfall recherchiert und festgestellt, dass eine Kollision mit einer Ziege, die plötzlich die Straße kreuzte, der eigentliche Unfallgrund war. Sie war unter den Wagen geraten, hatte die Lenkung blockiert und das Fahrzeug war gegen einen Baum geprallt. Hermann Kühnes Beifahrer blieb unverletzt, Hermann Kühne wurde beim Aufprall aber aus dem Fahrzeug geschleudert und getötet. Beide, Fahrer wie Beifahrer, waren auch 1962 schon durch einen Sicherheitsgurt gesichert! - ??? -

  • Der Sicherheitsgurt von Hermann Kühne war beim Aufprall des Wagens gerissen! Darum wurde er aus dem Fahrzeug geschleudert. - Auch darum blieb sein Beifahrer, Manfred Schieck, unverletzt! - Sein Sicherheitsgurt hatte gehalten!

Wie konnte der Sicherheitsgurt, der von einem renommierten Sicherheitsgurt-Hersteller stammte, überhaupt reißen?

Diese Frage habe ich „damals“ auch Alfred Neubauer gestellt, der als berühmter Ex-Rennleiter des Stuttgarter Unternehmens in deren Auftrag eine flammende Grabrede bei der Beerdigung von Hermann Kühne hielt. Danach hat er mir versprochen, mich nach Klärung der Frage, warum dieser Sicherheitsgurt reißen konnte, sofort zu informieren.

Als Alfred Neubauer 18 Jahre später in Stuttgart starb, war diese Frage, meine Frage, wohl immer noch nicht geklärt. - Ich habe von Alfred Neubauer niemals mehr etwas gehört!

Das scheint bei Daimler/Mercedes nicht ungewöhnlich: Nach den „fliegenden Mercedes CLR“ in Le Mans im Jahre 1999 , hatte der Mercedes-Rennleiter, Norbert Haug, der Öffentlichkeit Aufklärung des Vorfalls versprochen. Man hat niemals zu diesem Thema noch mal öffentlich etwas gehört. In Australien wurde nur von Mark Webber seinen Freunden etwas über das Verhalten von Norbert Haug ihm gegenüber erzählt, was das Thema Reisen nach Australien betraf. Das war zwar in seinem Vertrag klar geregelt, wurde aber, nachdem Webber zum „Überflieger“ in Le Mans wurde, von Norbert Haug dann anders empfunden.- Webber erhielt ein Reiseverbot!

Wie dem auch sei: Zu dem eigentlichen Unfallgrund in Le Mans hat man von Norbert Haug niemals mehr etwas gehört. Was Alfred Neubauer recht war, war für Norbert Haug billig. - Er hat nicht mehr darüber gesprochen. - Haug hatte auch nach dem Eindruck von Vorstandsmitgliedern ein Gefühl für „Marketing“, bzw. was man dafür hielt!

Aber in Motor-KRITIK war schon 1999 dann etwas dazu zu lesen. Dazu müsste man heute noch mal ins „Classic“-Archiv bei Motor-KRITIK klicken. Das geht in diesem Fall ganz einfach, indem man HIER klickt.

Übrigens: Jochen Neerpasch wurde als Rennleiter in Stuttgart zwar ernst genommen, aber er hatte  „für Marketing kein Gefühl“, wie mir Jürgen Hubbert mal erzählte. Darum hatte man Norbert Haug verpflichtet. Im Wesentlichen aber darum (im Abgleich mit einem anderen Bewerber aus dem gleichen Verlag), weil er Schwabe war und man ihm in Sachen „Marketing“ – was immer man darunter verstand – mehr zutraute als z.B. Jochen Neerpasch!

Als ich, rd. 25 Jahre nach dem tödlichen Unfall von Hermann Kühne noch einmal zu diesem ungeklärten „Materialschaden“ (Reißen des Sicherheitsgurtes!) in Argentinien etwas schreiben wollte, da habe ich die Presseabteilung angerufen und einen mir persönlich unbekannten Mitarbeiter dieser Abteilung gebeten, mir doch mal alle Unterlagen aus dem Archiv zu diesem Unfall zukommen zu lassen. - Der junge Mann kannte zwar weder den Namen Hermann Kühne, noch wusste er von einem Unfall in Argentinien, aber machte mir gegenüber die Zusage, sich sofort darum zu bemühen.

Als ich nach 14 Tagen noch ohne Unterlagen war (die hätten per Fax kommen müssen, da Computer noch nicht verbreitet waren!), da habe ich noch mal in Stuttgart angerufen und erfahren, dass man wegen Überbeschäftigung noch nicht dazu gekommen wäre, mal ins Archiv zu gehen. Meine Frage: „Wo ist denn das Archiv?“ wurde mit „Ein Stockwerk tiefer.“ beantwortet.

Aber man würde sich nun sofort darum kümmern. - In Stuttgart kümmert man sich wohl noch heute darum! - Offenbar war das Ergebnis so „explosiv“, dass man „vergessen hat“, mich zu informieren.

Es genügt also nicht, dass es irgendwo ein Archiv gibt, wenn die darin befindlichen Unterlagen nicht genutzt werden! - Oder nur um zu verkünden:

„Geschichte muss lebendig und erlebbar sein – dafür stehen die Archive und die Sammlung von Mercedes-Benz Classic mit ihren Dienstleistungen in besonderem Maß."

Das Zitat stammt aus der aktuellen Pressemitteilung der Daimler AG vom 8. Dezember 2021.

Mal dumm in Richtung Stuttgart gefragt:

  • Kann man dort wohl den wirklichen Grund – alle Gründe (!) - finden, weshalb der Daimler-Entwicklungschef, Dr. Wolfgang Peter, „damals“ (1992) nach Mannesmann „weg gelobt“ wurde?
  • Ob man wohl dort wohl erfahren kann, wie es wirklich bei Daimler zur Entwicklung des Mercedes E 500 (der mit dem Achtzylinder!) kam?
  • Kann man im Archiv auch erfahren, warum Porsche mal in seiner Krisenzeit einen  Entwicklungsauftrag für ein Mercedes-Getriebe erhielt oder die „Fertig-Entwicklung“ des E 500 der Entwicklungsabteilung dieser „Fremdfirma“ in Weissach übertragen wurde?

Ich glaube nicht! - Die echten Fakten sind aber bei mir im Kopf hinterlegt, der immer noch praxisgerecht „im Fall eines Falles“ – und das sehr schnell – reagiert und von mir gut und schnell auszulesen ist.

Im richtigen Moment zur Komplettierung einer guten Geschichte im Interesse meiner Leser!

MK/Wilhelm Hahne
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