Nürburgring: Verkauf sinnlos?

Am 1. März gab es eine Mitgliederversammlung der Vereinigung „JA zum Nürburgring“ in der Nürburger Gemeindehalle. Im Vorfeld habe ich mir lange überlegt, ob ich Informationen öffentlich mache, die mir seit einiger Zeit vorliegen, die man aber als normaler Mensch kaum verstehen oder verarbeiten kann. Oder man müsste vielleicht Rechtsanwalt sein. - Oder Politiker. - Am Vorabend der Veranstaltung habe ich dann die Öffentlichkeit hier in Motor-KRITIK über das Papier informiert, das sozusagen amtlich das Insolvenzgericht in Ahrweiler über den IST-Zustand der Nürburgring GmbH zum Zeitpunkt der Insolvenz informiert und auch Argumente für einen Verkauf und „Ausblicke“ in die Zukunft enthält. - Da die o.g. Veranstaltung rd. 20 Stunden nach der Veröffentlichung begann, hoffte ich dort schon eine Antwort auf meine im Stillen gestellte Grundsatzfrage zu erhalten und so die Gedankenströme zu durchbrechen, die von Politik und Insolvenzsachwalter richtungsorientiert gesteuert scheinen und immer nur das WIE betreffen, aber niemals die Grundsatzfrage anreißen:

Nürburgring: Verkauf sinnlos?

„Es ist gefährlich zu glauben, dass jetzt 'alles in Butter wär'“, beginnt der Nürburger Bürgermeister seine Begrüßung und bezieht seinen Einwand auf die Formel 1-Veranstaltung am Nürburgring, die – nachdem die Vernstaltung nun im offiziellen Terminkalender existiert - von vielen Interessierten (!) als Signal für eine Normalisierung der Verhältnisse in der Eifel angesehen wird. „So ist dat net“ - So ist das nicht – erklärt Reinhold Schüssler. - Recht hat er.

Die Entwicklung stimmt ihn traurig. Sagt er. Und man kann heraushören, dass er auch so empfindet.

 

Bürgermeister Schüssler ganz rechts.

Dann redet der 1. Vorstitzende des Vereins „JA zum Nürburgring“, Otto Flimm, und bringt die Sitzung routiniert auf Kurs. Und es folgt ein Hinweis auf die Tagesordnungspunkte:

 

Er bezeichnet die Veranstaltung als „außerordentliche Generalversammlung“ und verspricht alle wichtigen Themen anzusprechen. Otto Flimm erklärt, dass man alle bedeutenden Leute der Landesregierung zu dieser Veranstaltung eingeladen habe, davon ausgehend, dass sie an einer effektiven Problemlösung interessiert seien.

„Alle Eingeladenen haben einen anderen Termin gehabt.“

Das waren u.a. Ministerin Lemke, Minister Lewentz, aber auch Frau Ministerpräsidentin Dreyer, die verantwortlichen Beamten der Staatskanzlei, die Insolvenzsachwalter Prof. Schmidt und Herrn Lieser.

Man hätte diesen Leuten bei dieser Gelegenheit auch gerne eine Unterschriftensammlung übergeben, die im Hotel Tiergarten (Nürburg) seinen Ausgangspunkt nahm. Es gab zwar keinen offiziellen Tagungsordnungspunkt dafür, aber sicherlich wird es irgendwann eine Gelegenheit geben, der „hohen Politik“ die Meinung des „niedrigen Volkes“ kundzutun.

Otto Flimm versucht dann einen kleinen Abriss der Geschichte des Nürburgrings zu geben, die natürlich in seinem Fall (ADAC-Präsident, FIA-Vizepräsident usw.) stark von persönlichen Erlebnissen gepägt ist. Und manchmal dann auch den relativ jungen 100 Zuhörern (in etwa) auch einen falschen Eindruck zu vermitteln sucht.

„Die FIA hatte der Nordschleife die Lizenz entziehen wollen“, sagt Otto Flimm. Ich höre es und glaube es nicht. Denn die FIA hat es auf meine Anfragen niemals bestätigt und der DMSB will auch nicht mit einer solchen Aussage z.B. als Grund für die FIA-Zäune an der Nordschleife herhalten müssen. „Und der Verein hat sich mit 1,7 Millionen beteiligt“, erklärt Otto Flimm. -

Es war etwas anders: Der gemeinnützige Verein „JA zum Nürburgring“ ist im Interesse von an hohen Baukosten Interessierten bei der Industrie um Spenden betteln gegangen, weil nur er als gemeinnützig anerkannter Verein durch entsprechende Quittungen von der Steuer absetzbare Geldsummen bei der Industrie sammeln konnte. (Das ist übrigens in meinem 2010 erschienenen Buch zur Nürburgring-Affäre nachzulesen.)

Ich will nicht widersprechen wenn Otto Flimm sagt, dass er Rainer Mertel, auch mal Geschäftsführer der Nürburgring GmbH davon abgeraten hat, eine Sonderausgabe von „Erlebniswelt“ zu bauen. Es ist aber nicht richtig, wenn er damit den Eindruck vermittelt, als hätte damals er, bzw. „JA zum Nürburgring“ mit einem solchen Einwand den Bau verhindert. Der Plan des Herrn Mertel scheiterte daran, dass eine Privatfinanzierung des Projekts nicht umsetzbar war und Rainer Brüderle als Wirtschaftsminister des Landes Rheinland-Pfalz damals klar machte, dass vom Staat – gleich ob Land oder Bund – kein Geld zu erwarten wäre, da alle Gelder „für den Osten gebraucht würden“. - Damals war die DDR zu einem Stück Bundesrepublik geworden.

Aber zurück in die Gegenwart: „JA zum Nürburgring“ hat mit allen Betroffenen gesprochen. Auch mit Berlin. „Berlin ist zuständig“, sagt Otto Flimm, „aber das Land muss entscheiden was es will.“ - Und er klagt über das Verhalten der Insolvenzverwalter, von denen er sich hintergangen fühlt.

Damit wären wir dann mitten in dem Desaster, wo sich ein Ministerpräsident in dem Moment unauffällig aus allem zurückziehen will, wo offenbar wird, dass niemand im Vorfeld mit der EU irgendwelche Beihilfen für den Nürburgring abgestimmt hat, eigentlich offenbar wird, dass hier durch die Politik – auch im Aufsichtsrat der Nürburgring GmbH saßen in entscheidenden Position Politiker – die Fehler gemacht wurden, die zur jetzigen Situation – auch zur Insolvenz – der Nürburgring GmbH führten.

Otto Flimm führt aus:

„Eine Privatisierung des Nürburgrings ist unmöglich. Man kann ein (natürliches) Monopol nicht in Privathand überführen.“

Und so hat man eine Kölner Anwaltskanzlei gebeten, zur derzeitigen Situation des Nürburgrings, ausgelöst sowohl durch die Insolvenz der Nürburgring GmbH, als auch durch die Untersuchung der EU zu den (evtl.) Beihilfeverstößen, ein Gutachten zu erstellen.

Das hat die Kanzlei auf rd. 200 Seiten gemacht und stellte nun in der Versammlung in einer Ausführung, die sich an der Abfolge von Thesen orientierte, die die Besucher der Veranstaltung großflächig an die Wand geworfen bekamen, in Kurzform den Inhalt seines Gutachtens vor. Ich möchte hier nicht auf alle Details eingehen, sondern darf den Lesern in einer Abfolge von Fotos einen Eindruck von den guten Argumenten vermitteln, den die Anwälte erarbeitet hatten:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Irgendwann musste ja auch einmal das Ende der Erklärungen kommen:

 

Es ist inzwischen 17 Uhr geworden und nach Zwischenfragen aus dem Publikum, „Wie sollen wir uns einbringen?“ kommt dann der für das Gutachten verantwortliche Rechtsanwalt, Dieter Frey, um 17:10 Uhr zu der Feststellung:

„Es muss einen Stopp der Ausschreibung geben!“

Hier ist dann der Moment gekommen, wo der Bürgermeister des kleinen Orts Nürburg sich wieder sehr emitional in die Diskussion einschaltet um davon zu sprechen, dass die kontrollierten Maßnahmen der Politik in dieser Sache vom Neid und Missgunst untereinander, von den Bewohnern der Eifel-Region begünstigt werden. Und er meint, dass eine gewisse Gleichgültigkeit ein übriges tut. Er wünscht sich Einigkeit in der Region und verspricht:

„Ich werde mit Mainz Tachelels reden!“

Aus dem Publikum kommen nun Einwürfe: „Wir müssen Druck machen!“ - Und man fragt: „Was machen die Regional-Politiker?“ - Die glänzen durch Abwesenheit. Weder der Verbandsbürgermeister von Adenau, noch der Landrat des Kreises Ahrweiler sind vor Ort. Wahrscheinlich haben alle unaufschiebbare Termine.

Auffallend ist, das einige Politiker und abgesandte Beobachter sozusagen „anonym“ im Publikum sitzen. Dazu zählen Pietro Nuvoloni, der Pressesprecher der Insolvenzsachwalter, Andrea Schmidt von der SPD, Nicole Müller-Orth von den GRÜNEN, Herr Gies von der CDU, aber keiner „macht den Mund auf“.

Otto Flimm drückt sein Unverständnis über unkoordinierte Reisen einzelner Politiker nach Brüssel aus, nachdem er vorher schon beklagt hatte, dass eine Reise im „Viererpack“ (also auch mit ihm) z.B. bei einem Gespräch in Mainz von der Wirtschaftsministerin, Frau Eveline Lemke, harsch abgelehnt wurde.

So etwas passt halt nicht ins Konzept der Koalitionsregierung. Genauso wenig dann meine Frage an Otto Flimm:

„Warum muss der Nürburgring eigentlich verkauft werden? - Aus welchen Gesichtspunkten man einen Verkauf auch betrachtet: Er macht keinen Sinn!“

Das ist, nachdem ich darauf hingewiesen habe, dass wir die ganze Missere am Nürburgring doch eigentlich nur der Politik verdanken, die z.B., obwohl Rheinland-Pfalz seit 1987 in Brüssel eine ständige Vertretung unterhält, niemals diese Möglichkeit genutzt hat, um in Sachen Nürburgring mit der EU-Kommission zu einer einheitlichen Auffassung zu kommen.

Ich mache noch einmal darauf aufmerksam, dass die ganzen derzeitigen Verfahren unter kaufmännischen Gesichtspunkten betrachtet, „vollkommener Blödsinn“ sind.

Rechtsanwalt Frey weist mich darauf hin:

„Europäisches Beihilferecht ist auch Recht. Es gilt, europäisches Recht zur Anwendung zu bringen.“

So werden die Geschehnisse im vor uns liegenden Ablauf hin zum Verkauf des Nürburgring ein weiteres Beispiel dafür werden, dass Recht keine Voraussetzungen für die Schaffung von sinnvollen Lösungen in kaufmännischer Hinsicht oder im Interesse der Sports sind. - Otto Flimm bestätigt das mit der abschließenden Feststellung:

„Es geht nicht mit Logik!“

Ich muss das als Normalbürger akzeptieren, komme damit aber zu der Feststellung, dass wir es derzeit in der Politik, mit ihrer Vorstellung von der Bedeutung Europas, der Wichtigkeit von Europa-Behörden und europäischem Recht, offensichtlich mit einer besonderen Art von Visionären zu tun haben, solchen, die wir in grauer Vorzeit einfach als Ignorant bezeichneten. - Kenner alter Filme (in diesem Fall 1998) werden sich vielleicht dabei an „Idioterne“ erinnern. - Aus Dänemark kommt eben nicht nur Käse!

Inzwischen sind wir aber offensichtlich weiter gekommen. Die Zuordnung fällt moderner, fortschrittlicher, zukunftsorientierter aus. - Die Kosten auf dem Weg zu neuen, illusionären Lösungen, die sich dann am europäischen Recht orientieren, trägt aber der Steuerzahler.

Natürlich der in den Einzelstaaten. Im Falle Nürburgring: der des Landes Rheinland-Pfalz.

Oder um die im Titel gestellte Frage anders, kurz, klar und eindeutig zu beantworten: Der Verkauf des Nürburgrings ist eigentlich sinnlos!

Irgendwie wird das auch durch die Darstellung verdeutlicht, die in der Gemeindehalle von Nürburg von einem Beamer an die Wand geworfen wurde:

 
 
MK/Wilhelm Hahne

 

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