Unbekannt: Auch Alte können am Nürburgring rennen!

Viele wissen, dass man zum Befahren des Nürburgrings im Rennen ein „DMSB-Nordschleifen-Permit“ braucht. Das gilt für junge Leute, die noch nicht begriffen haben, dass nicht der immer Recht hat, der entsprechend auftritt. Alte Leute haben da mehr Übersicht. Sie sind auch – nicht mehr unbedingt  – an der direkten Auseinandersetzung in einem Rennen gegen die Uhr interessiert, was aber nicht ausschließt, dass sie das Verlangen einer jungen Generation an einer direkten Auseinandersetzung nicht verstehen. Sie interessiert z.B. schon das Umfeld, die Bedingungen, unter denen die Wettbewerbe ausgetragen werden. Darum interessiert sie auch, welche Voraussetzungen erfüllt werden müssen, welche Basis der Motorsport insgesamt hat, wie er „gewachsen“ ist, in welchem Umfeld er ausgeübt wird. - Mich interessiert auch, wie „Außenstehende“ an das Thema Motorsport und ihr Umfeld heran geführt, wie sie „aufgeklärt“ werden. Da bietet im Falle des Nürburgring zum Beispiel der Besitzer, bzw.der Pächter, eine „Tochter“ des Besitzers, so genannte „Backstage-Touren“ an, die dem normalen Bürger dann das Thema Motorsport am Nürburgring  näher bringen sollen. Das Thema kann auch in Gruppen angegangen werden. - So einer Gruppe habe ich mich – weil ich vom Alter dazugehöre – in diesem Jahr einmal angeschlossen, um eine so genannte „Backstage-Tour“ am Nürburgring so zu erleben, wie sie dem normalen „Interessenten“ zu unterschiedlichen Kosten und in unterschiedlicher Zusammenstellung angeboten wird. - Ich habe in einer Gruppe alter Leute – alle über 65 Jahre – teilgenommen und interessante Feststellungen machen können.

Unbekannt: Auch Alte können am Nürburgring rennen!

Die Einladung zu diesem „Touristen-Rundgang“ hatte ich vor einigen Wochen erhalten. Er war in diesem Fall als Teil eines sogenannten „Senioren-Tages“ der Dorfgemeinde gedacht, in der ich lebe. Als ich meine Zusage schickte, war man im Gemeinderat schon überrascht, weil ich bisher an solchen Veranstaltungen nicht teilgenommen hatte. Schon aus Zeitgründen. Aber in diesem Fall hat mich doch interessiert, wie denn die neuen Nürburgring-Besitzer – auf welche Art – den normalen, nicht rennsportaffinen Besuchern den Nürburgring nahe bringen wollen.

Die Startzeit hier von Virneburg aus zum Nürburgring sollte 13 Uhr sein. Ich hatte mich durchaus auf diese „Backstage-Tour“ vorbereitet. Mein „Start-Gewicht“ war 74,1 Kilogramm, meine Herzfrequenz in Ruhe betrug  59 BPM (Beat Per Minute).

In der Frühe habe ich dann noch ein kleines „Warum-Up“ durchgeführt, denn man weiß ja nicht, wie schnell die Konkurrenz unterwegs sein würde. Und wenn man deutlich über 80 ist… -

Start war auf dem Platz vor der Gemeindehalle, vo der man über einen kleinen Teich einen schönen  Blick aufs Dorf mit Kapelle und Burgruine hat. Unser Bus setzte sich pünktlich mit 30 Teilnehmern und vier Begleitern in Bewegung und es ging in schneller Fahrt – nicht mal ein Viertelständchen war es – zum Nürburgring.

Nach dem Ausstieg strebte unser Team dem Infocenter zu, wo von der „Gemeinde-Spitze“ unser Ankommen gemeldet wurde. Uns wurden zwei „Führer“ zugeteilt, die sich kurz vorstellten, kurz das vorgesehene Programm erwähnten um sich dann mit uns auf den Weg zu machen. Über die ausgetretenen Treppenstufen – wegen des blödsinnigerweise von den offenkundig unkundigen Erbauern verlegten ungeeigneten, zu weichen spanischen Schiefers – ging es hinauf auf die Ebene, auf der die erste Station unserer „Erlebnistour“ lag.

So belebte unsere Gruppe zunächst die Fläche davor, dann das „ring°werk“ selbst, wo die Besucher, die sonst Rennfahrzeuge nur aus dem Fernsehen kennen, Renntourenwagen aller Klassen mal aus der Nähe betrachten durften. - „Bitte nicht anfassen!“ - Natürlich auch nicht die ausgestellten Formel 1-Boliden.

Mit „bewegten Bildern“ und „stürmischer Atmosphäre“ bei der ich sogar vor ein paar von der Decke versprühten Regentropfen getroffen wurde, wurden uns die unheimliche Stimmung, die von der Nordschleife, der so genannten „Grünen Hölle“ ausgehen soll, etwas näher gebracht. Danach wurden uns Details eines Renn-Trucks erklärt. Im Hintergrund glaubte ich den BMW-Lkw zu sehen, der „damals“ beim Neubau der Halle noch als BMW“-eigen zu erkennen war. Da er aber praktisch in dieser Halle eingemauert ist, niemals wieder entfernt werden kann, hat man ihn wohl inzwischen mit Nürburgring-Emblemen zu einem Nürburgring-Transporter machen müssen, da BMW nicht mehr in der Formel 1 vertreten ist.

Die „Führer“ wechselten sich in ihren Vorträgen ab. Der eine erklärte den „Weißen Elefanten“ von Mercedes, der andere einen BMW 2002 aus der „Youngtimer Trophy“. Es wurde auch etwas zur Geschichte des Nürburgrings erzählt. Der „Erzähler“ stellte sich dazu vor den Text, der auf der Wand zu lesen ist und erklärte, was hier in der Eifel „vor mehr als 90 Jahren“ geschehen war. Es gab den ersten Spatenstich. - Wäre er etwas zur Seite getreten, hätten die aufmerksam lauschenden Zuhörer auf der Tafel selber lesen können, dass das am 27. September 1925 geschah, exakt einen Tag vor unserem Besuch – und 93 Jahren. - Na ja, soviel Flexibilität im Vortrag wird hier am Nürburgring wahrscheinlich nicht von den „Guys“ - so nannten sie sich selber – verlangt, als dass sie eine solche „Aktualität“ in ihren Vortrag eingebaut hätten.

Was im „ring°werk“ auf die Mitglieder unserer Gruppe den größten Eindruck gemacht hat, war eine „virtuelle Busfahrt“ durch die Eifel, bei der es ganz schön „hin und her“ ging, Brems- und Beschleunigungs-Vorgänge, aber auch schnelle Richtungswechsel oder Bergabfahrten körperlich spüren ließen. - Das war für Alle das Erlebnis schlechthin!

Dann ging es den langen Weg – bei diesigem Wetter und leichtem Nieselregen“ - vom „ring°werk“ hin zum „Historischen Fahrerlager“. Auch vorbei am „Klettergarten“, der mal für Umbaukosten von um 30.000 Euro vom „Boulevard“ innen nach außen, direkt neben die B 258 verbaut wurde und ungenutzt so langsam verrottet. Ein Dorf-Mitbewohner, der neben mir ging zeigte mit der Hand drauf und fragte mich: „Ein reines Abschreibungsobjekt?“ - Ich habe genickt und geantwortet: „Wie der „ring°racer“.

„Und was ist mit der Seite?“ - Seine Hand zeigte auf die andere Straßenseite, wo das Vergnügungsviertel des Nürburgrings von der Landesregierung geschaffen wurde. - Es wurde wohl eigentlich nicht gebraucht. Aus der Werbung ist schließen, wird dort noch nicht einmal zu Ehren einer der Verantwortlichen „Becks“ ausgeschenkt wird, sondern „Bit“. - Wir leben eben im Digital-Zeitalter!

Vor dem „Historischen Fahrerlager“ gab es dann einen Stop. Dort ist von der ehemaligen großen Holztribüne, die auf einer deren Ecken früher aufgesetzte ehemalige Sprecherkabine zu sehen. Und unser „Guy“ (= Kerl, Junge, Bursche) erzählte uns von den Schwierigkeiten, die ein Streckensprecher damals hatte, wenn er bei den großen Rennen auch eine große Zuschauermenge zu unterhalten hatte. Also, so hörten wir, hat er die Zeit, die die Rennfahrzeuge brauchten, um eine Runde zu beenden, damit verbracht, den Zuschauern Geschichten von und über die Rennfahrer zu erzählen. Es gab „damals“, so erfuhren wir, keinerlei Informationen über das Geschehen von der Strecke. Um dann zu hören:

„Heute ist das ganz anders. Heute sieht man über die Kameras sogar, wenn ein Eichhörnchen über die Strecke läuft.“

Da wird man dann als Journalist nachdenklich, weil man das offenbar verpasst hat. Dabei hatte ich vor Kurzem noch gehört, dass ein Verantwortlicher der Pächterfirma erzählte, dass man „in zwei Jahren“ mit einer voll von Kameras überwachten Nordschleife rechnen könne. - Auf die Frage, wie das denn gehen soll, kam die Antwort: „Glasfaser!“.

Aha! - Ich wusste zwar seit Jahren von solchen Plänen, die niemals umgesetzt wurden. Und jetzt? - So weit ich das überschauen kann, werde zumindest ich das wohl kaum noch erleben. Die Kosten dürften nach meinen Informationen so um 20 – 25 Millionen Euro liegen. - Abgesehen von anderen Problemen, die da noch stören würden.

Und dann ging es – wie auf dem 1. Foto oben zu sehen – in ein kleines Privat-Museum. Von wem? - Das wurde nicht gesagt. Jedenfalls alles schön bunt. - Zum Thema „Historischen Fahrerlager“ wurde übrigens von den „Führern“ betont, wie sehr man Wert darauf gelegt habe, den historischen Charakter dieses alten Fahrerlagers zu erhalten. Man habe sogar wieder alte Megaphon-Lautsprecher verbaut, als die alten ersetzt werden mussten.

„Und den alten Baumbestand dann rings um das alte Fahrerlager entfernt!“, habe ich gedacht. Ich war nämlich nur zum Schauen, hören, sehen und denken mitgekommen, habe keine Fragen gestellt, hatte keine Absicht, als Besserwisser aufzutreten.

Man hat uns dann das neue Fahrerlager gezeigt und erklärt. Es lag in dichtem Dunst. Und wie gesagt: Es gab leichten Nieselregen. Einer der Guys“ hat das aber sehr nett gemacht und auch zum höchsten Punkt auf den Start- und Zielturm geführt, wo man – wegen Nebel – kaum etwas sehen konnte.

Wieder zurück im „Tower“ wurde uns die Nordschleife ein wenig näher gebracht. Und wir haben erfahren, dass gerade in diesem Jahr Porsche dort einen neuen Rundenrekord gefahren ist. Die genannte Rundenzeit stimmte. Nur der Name des Fahrers viel dem Vortragenden nicht ein. „Timo, Timo...“ - und aus unserer Gruppe wurde ihm zugerufen: „Scheider!“ - „Richtig“, sagte utnser „Führer“, „Timo Scheider ist den neuen Rundenrekord gefahren.“

Nun, es war weder ein neuer Rundenrekord – weil der nur bei Rennen gefahren werden kann – und es war auch nicht Timo Scheider, der mit einem keinem Reglement entsprechenden Porsche die Nürburgring-Nordschleife in neuer Bestzeit umrundete. Es war Timo Bernhard.

Wir wurden dann auch zum Sieger-Podest geführt. Vorher wurde uns an im Vorraum hängenden Bildern noch erklärt, wie das „früher so war“. „Da gab es z.B. den Le Mans-Start“, erfuhren wir, „der aber abgeschafft wurde, weil er zu gefährlich war.“ - Nun, unser „Guy“ hat‘s auch erklärt:

„Erstens gab es zu viele Startunfälle und Zweitens hatten die Fahrer keine Zeit sich beim Losfahren anzuschnallen. Das ging erst beim ersten Tankstop.“

Ich muss da etwas verpasst und übersehen haben: Ich kenne keine Startunfälle bei Le Mans-Starts und ich wusste auch nicht, dass die Sportwagen der damaligen Zeit mit Sicherheitsgurten ausgerüstet waren. - Jedenfalls wurde das alles sehr überzeugend vorgetragen. - Nein, ich habe nichts gesagt.

Nur als einer der „Guys“ aus unserer Gruppe heraus gefragt wurde, warum denn draußen bei der schlechten Sicht und Regen dann die Rennfahrzeuge ihr Training durchführen würden, da habe ich – bevor unser „Guy“ eine falsche Antwort geben konnte, zu der er angesetzt hatte – gesagt:

„Das Training ist eben mit ‚Roter Flagge‘ abgebrochen worden und die Uhr an der BMW-Brücke wurde bei 18 Minuten und 41 Sekunden angehalten.“

Das hätte jeder sehen können, wenn er „einen Blick dafür“ gehabt hätte. - Manchmal genügt es eben nicht „gut angelernt“ zu sein. - Vom wem eigentlich? - Schließlich wird Geld für die Führung und die Informationen von Motorsport-Unkundigen genommen!

Dann ging es ab ins Presse-Center. Es wurden die Abläufe erläutert und nach welchen Regeln z.B. die Interviews mit Rennfahrern ablaufen. - Im Presse-Center sitzen also die Journalisten – erfuhren wir – und überlegen sich während des Rennens die Fragen, die sie später den ersten Sechs stellen wollen. Diese Fragen müssen dann eingereicht werden, und werden während der Interviews dann auf die Bildschirme gespielt, damit man weiß was gefragt wurde.

Und dann ging es über die BMW-Brücke zurück in Richtung „ring°werk“, wo sich unsere „Guys“, von unserer Gruppe herzlich mit Beifall bedacht, verabschiedeten.

Während wir in Richtung Bus gingen, fragte mich einer aus der Gruppe: „Weshalb zeigen die uns denn nicht den ‚Boulevard‘, gehen mit uns mal auf die „BMW-Tribüne“? - Das will ich versuchen, hier zu erklären:

So wie auf dem ersten Foto hier sieht es sehr oft in der Woche aus. Eine „tote“ große Fernsehwand, eine Beschallung mit Musik aus den Lautsprechern, damit es nicht gar so trist wirkt. Wie man es machen kann, hat in diesem Jahr der ADAC Mittelrhein mit seiner „SIM RACING EXPO 2018“ gezeigt, wo dann der „Boulevard“ auch wirklich bevölkert war.

Es war nicht nur die sonst „tote“ Bildschirmwand genutzt, sondern es gab auch eine Menge Zuschauer die dann den Inhalt dieser „Wand“ zu ihrer Information nutzten. Die seit langer Zeit ungenutzte „Arena“ bekam auch wieder einen Sinn, weil dort auf aufgemalten Strecken, kleine Rennfahrzeuge, ferngesteuert, ihre Rennen austrugen. Der Eintritt war in diesem Fall frei. Und an anderen Stellen des „Boulevard“ übten sich junge Leute vor großen Bildschirmen im Bewegen von Rennfahrzeugen, fuhren „virtuell“ Rennen. Ob das die Pŕaxis in einem richtigen Rennfahrzeug ersetzen kann, ist umstritten.

Nicht umstritten ist, dass man damit am Nürburgring bisher ungenutzte – und eigentlich bisher nutzlos erstellte – Bauten wirklich nutzen konnte.

Beim neuen Besitzer der Rennstrecke, bzw. dessen Pächterfirma, der Nürburgring 1927 GmbH & Co. KG, werden zur Zeit gerade Ideen entwickelt, wie man ab 2019 die bisher kaum genutzten Räume dann einem sinnvollen Bestimmungszweck zuführen kann. Mit der Vorstellung dieser neuen Pläne ist bald zu rechnen. Wie man hört, sollen wir in der Eifel dann auch kulturell verwöhnt werden. - Am Nürburgring!

Gegen eine kleine Schützgebühr, versteht sich!

Unsere Ortsgemeinde hat für die genossene Führung nur einen relativ kleinen Betrag zahlen müssen. Ich habe nichts gezahlt und am Ende feststellen müssen, dass dieser Ausflug für Senioren des Dorfes ein gutes Konditionstraining war.

  • In 2:53,55 Stunden haben wir 4,33 Kilometer zurück gelegt.
  • Meine durchschnittliche Herzfrequenz betrug 91 BPM.
  • Ich habe bei dieser „Backstage-Tour“ 112 Kalorien verbrannt.

Und meine Leser  – vielleicht und hoffentlich – so mit neuen Informationen versorgen können.

MK/Wilhelm Hahne
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