Sportwarte mit Lizenz sind keine Normalität!

Es war einmal ein Nürburgring-Geschäftsführer, der die These vertrat: Wir müssen Sicherheit nur gegenüber der Öffentlichkeit darstellen. - Den Geschäftsführer gibt es nicht mehr. Die Art der Darstellung von Sicherheit funktioniert aber immer noch auf dem gleichen Niveau. Nun ist der DMSB der Garant dafür. Denn für alles gibt es DMSB-Lizenzen. Für Fahrer sowieso. Plus einer Nordschleifen-Lizenz in Variationen, die sinnfrei interpretiert werden. - Wie hätten Sie‘s denn gern? - Sicherheit soll auch durch Sportwarte, Strecken-Marshals  – ganz gleich wie man sie auch immer bezeichnet – garantiert werden. – Aber alle sind nur Menschen. Und der DMSB ist nur ein e.V. - Und das Versprechen von Sicherheit ist sehr oft Gerede. Lizenzen garantieren keine Sicherheit. Aber keine Lizenzen auch nicht. Denn Menschen sind grundsätzlich nicht perfekt. - Aber an der längsten Rennstrecke der Welt gelten auch andere Gesetze. Es haben hier DMSB-“Anpassungen“ Gültigkeit, die entgegen jeder praktischen Erfahrung „angewiesen“ wurden. Wie z.B. eine spezielle Flaggensignal-Regelung, die keine Basis in der Praxis hat. - Aber das soll hier weniger das Thema sein. - Hier soll von Menschen die Rede sein, die rings um die Rennstrecke als Streckenposten, Sportwarte, Strecken-Marshals ihre Pflicht tun. - Warum? - Wer bildet sie aus? - Welche Rolle spielen die Organisationen, die eigentlich eine Aufgabe zu erfüllen haben? - Motor-KRITIK stellt in folgender Geschichte die Realität an der Nordschleife am  Beispiel eines Mannes dar, hat dazu die jahrzehntelange Erfahrung eines Sportwartes der Streckensicherung genutzt, die dann auch zu der – eigentlich überraschenden – Feststellung führt:

Sportwarte mit Lizenz sind keine Normalität!

Einer der Höhepunkte an der Nürburgring-Nordschleife ist Jahr für Jahr das 24-Stunden-Rennen. So auch in diesem Jahr. Hier soll nicht davon gesprochen werden, ob die Jahr für Jahr verbreiteten Zuschauerzahlen stimmen, sondern darauf aufmerksam gemacht werden, dass bei diesem Rennen nicht nur die Fahrer einem besonderen Stress ausgesetzt sind, sondern auch die Sportwarte der Streckensicherung.

Davon gibt es – ausgebildet – Jahr für Jahr weniger. Mein „lizensierter“ Gesprächspartner dazu:

„Es haben in diesem Jahr viele Sportwarte ihren Dienst an den Nagel gehangen, weil man sich nicht mehr verarschen lassen will.“

Aber ich höre dann auch:

„Es werden immer neue Opfer gefunden. Es gibt Gruppen, bei denen Sportwarte eingesetzt werden, die zwar die Farben der Flaggen unterscheiden können, aber nicht wissen, was sie da tun. Die Forderung des DMSB lautet, nur noch Sportwarte mit Lizenz also ‚Ausbildung‘ einzusetzen. Das ist aber weit von der Realität entfernt.“

Wenn man von der Zahl der bei einem 24h-Stunden-Rennen benötigten Sportwarte ausgeht, kann man sich vorstellen, dass es die auch gar nicht geben kann. Auch ein Sportwart kann nicht 24 Stunden Nonstop Dienst tun, muss abgelöst werden und diese Ablösung wiederum auch.

So kommt es in der Realität zu der Situation, dass jeden Mittwoch vor einem 24h-Rennen eine Crashkurs für dort eingesetzte Sportwarte in der Graf Ulrich-Halle in Nürburg abgehalten wird. Aber dadurch erhalten diese Leute nicht die perfekte Ausbildung eines Sportwarts der Streckensicherung. Diese Leute sollen dann aber andere Sportwarte absichern bzw. Retten und Bergen in Gefahrsituationen. - Dazu mein Gesprächspartner:

„Da kann ich nur sagen: Um Gottes Willen! - Ich glaube, dass manch ein Fahrer auch nicht weiß, was da draußen abgeht!“

Meine Frage ist da natürlich: „Wie laufen denn die Dinge bei der VLN ab?“ - Antwort:

„Viele von den dort eingesetzten ‚oberen Herren‘ wissen nicht was sie tun, weil ihnen absolut die Erfahrung fehlt, geschweige denn eine Ahnung davon haben was sie tun. Dort wird mit Menschenleben gespielt und Entscheidungen getroffen, die mit normalem Menschenverstand nicht nachvollziehbar sind. - Es ist leider wie immer: Erst wenn etwas passiert, wird gehandelt!“

Das lässt natürlich die Frage auftauchen, welche Erfahrung auf dem Gebiet der Streckensicherung rmein Gesprächspartner mitbringt:

  • Mehr als zwei Jahrzehnte als lizensierter Sportwart, über Abschnittsleiter bis hin zum Leiter der Streckensicherung!

Was ich dann zum Thema Ausbildung, Kosten und Zeitaufwand höre, macht eigentlich deutlich, wie sehr man sich dem Automobilsport verbunden fühlen muss, wenn man derartige Belastungen auf sich nimmt.

Aber lassen sie mich zunächst einmal darstellen, wie die Nordschleife für die Sportwarte aufgeteilt und diese organisatorisch aufgestellt sind:

Die Nordschleife ist unterteilt in Streckenabschnitte mit Hauptposten und Nebenposten. In der Zeit in der es noch keine Funkgeräte gab, war eine Kommunikation von den einzelnen Posten zum Hauptposten nur per Kurbeltelefon möglich. Hauptposten sind meistens an kleinen Holzhütten an der Nordschleife zu erkennen. Dort sollten neben Sportwarten auch ein Telefonist und Abschnittsleiter tätig sein. Vom Hauptposten aus delegiert der Abschnittsleiter die Sportwarte in „seinem“ Abschnitt und versucht bei besonderen Gefahrensituationen per Telefon (heute Funk) Unterstützung zu erhalten.

Bei der VLN ist das so, dass die Streckensicherung der Sportwarte durch Helfergruppen übernommen wird. Dort ist es dann ein Abschnittsleiter, der die Gruppe organisiert, Sportwarte einteilt, bestimmt, wer auf welchen Posten geht.

Bei anderen Veranstaltungen wird das von „Obrigkeiten“ wie dem ADAC, AvD oder dem Verein übernommen, der mit der Streckensicherung beauftragt wurde. Die teilen dann schon im Vorfeld die Sportwarte auf Posten ein und Abschnittsleiter meistens in den Abschnitt, den er aus vorherigen Einsätzen kennt.

Was erhält man eigentlich als Sportwart für seine verantwortungsvolle Tätigkeit? - Antwort:

„Als Sportwart bekam man meistens – bei einem normalen Rennen – für den Freitag 35 und Samstag und Sonntag jeweils 30 Euro. Da Material zur Ausübung der Tätigkeit als Sportwart bekamen wir gestellt. Für die Sportwarte an solchen Rennwochenenden war meistens ein Parkplatz reserviert, wo man auch übernachten konnte und es auch Toiletten und Duschcontainer gab. - Leider hat nicht jeder einen Wohnwagen, im Zelt zu schlafen ist auch nicht witzig. Also braucht man eine Pension, schon wegen dem Wetter am Ring. Meistens muss man um 7 Uhr morgens einsatzbereit am Posten sein, und oft beginnt dann erst ab 18 Uhr die ‚Freizeit‘. - Wenn man alleine die Kosten für An- und Abreise rechnet – viele haben für An- und Abreise zwischen 150 – 200 Kilometer zurück zu legen – dann ist klar, dass das kein Geschäft ist

Und wie ist das bei der VLN?

„Das ist schon angenehmer. Da muss man ja ‚nur‘ einen Tag am Ring sein. Man muss aber sehr früh vor Ort sein, weil man seinen Einsatz mit Unterschrift bestätigen muss. Bei einem normalen Rennverlauf kann man um 17 Uhr wieder heim fahren. Als Sportwart erhielt man 50 Euro. - Aber Jedem sollte eigentlich die zeitliche Belastung und die damit verbundene Gefahr bei der Heimfahrt klar sein!“

VLN ist also angenehmer als ein 24h-Rennen?

„Dort ist man immerhin von Mittwoch bis Sonntag im Einsatz. Für knapp 200 Euro! - Anreise, Abreise, Verpflegung, alles auf eigene Kosten. Ist man an der Strecke weit ‚abseits‘ eingesetzt, hat man auch keinen Strom und es gibt vielleicht nur alle hundert Meter ein DIXI-Häuschen. Ein Parkplatz zum Übernachten wird an der Grand Prix-Strecke zur Verfügung gestellt. Aber je nachdem wo man eingesetzt ist, macht das Pendeln keinen Sinn, wenn man ein wenig schlafen möchte. - Dann muss man sich um alles selber kümmern: Stromaggregat, Waschmöglichkeiten usw. - Da laufen dann Kosten an. Vom ADAC gibt es da auch keine Unterstützung.“

Also alles „schlimmer“ als bei der VLN?

„Na ja! - Dort gibt es seit der Saison 2017 einen Renndirektor, der darauf bestand, dass die Sportwarte morgens noch früher auf dem Posten sein müssen, weil er – bevor die Strecke mit der Roten Flagge gesperrt wird – eine Runde fahren möchte und sehen, ob auch alle Posten besetzt sind. Inzwischen gibt es darum Sportwarte, die für ein VLN-Rennen morgens um 3 oder 4 Uhr von zu Hause losfahren müssen und abends erst wieder um 21 Uhr – und später – wieder daheim sind. Ich halte das für unzumutbar, kann dafür keine Verantwortung mehr übernehmen und habe mich entschlossen, nicht mehr ein Teil einer solchen irren Organisation zu sein.“

Dieser Mann, der nicht mehr mit verantworten möchte, was von den VLN-Oberen als normal betrachtet wird, wurde nicht etwa auf Kosten der Veranstalter – oder des DMSB – ausgebildet, sondern hat immer in die eigene Tasche greifen müssen, seine Freizeit für den Motorsport geopfert und ist mit großem persönlichen Engagement „aufgestiegen“. - Seine Feststellung heute:

„Den Einblick ‚hinter die Kulissen‘ bekommt man erst, wenn man mal eine etwas höhere Position als ‚nur‘ Sportwart erreicht hat.“

War dieses „Weiterkommen“ denn mit zusätzlichem Aufwand und Kosten verbunden oder steigt man aufgrund seiner Leistungen als Sportwart automatisch auf?

„Damit man ein Sportwart der Streckensicherung wird, macht man eine Schulung und einen abschließenden Test, um den Wissenstand zu prüfen. Diese Schulungen werden – und müssen – in regelmäßigen Abständen wiederholt werden. Zudem haben sich alle bei Rennen eingesetzte Personen auf den ‚laufenden Stand‘ zu halten, da sich die ‚Regeln‘ immer wieder ändern. Das betrifft auch Abschnittsleiter. Diese Personen dürfen von gewissen Leuten mit einer DMSB-Lizenz zum Leiter der Streckensicherung geschult und geprüft werden. Alle Positionen ‚aufwärts‘ müssen beim DMSB beantragt und auch dort geprüft werden:
Um eine Ausbildung zum Leiter der Streckensicherung zu machen, beantragt man beim DMSB erst einmal eine Lizenz zum ‚Anwärter Leiter der Streckensicherung‘. Das muss aber von einer Organisation wie z.B. dem ADAC unterstützt und mit unterschrieben werden. Das ist also nicht so einfach zu machen. - Wobei es da aber auch wieder ‚Schlupflöcher‘ gibt!
Auch zum Erreichen einer Lizenz zum Leiter der Streckensicherung gibt es Unterschiede. In meinem Fall – Lizenz für die Rundstrecke – wird man auch verantwortlich bei Kart-Rennen. Man muss also diverse Rennen dieser Art als ‚Anwärter‘ begleiten und sich das „vor-Ort-sein“ bescheinigen lassen. Sonst gibt’s keine Prüfung! - Eine theoretische Ausbildung gibt es allerdings nicht. - Man muss sich alles selber beibringen!
An einem Wochenende im Jahr gibt es dann einen Schulung- und Prüfungstag. Es gibt also dann ein wenig Theorie mit anschließender Prüfung. Diese Prüfung wird dann von einem Herrn des DMSB vorgenommen. Schon vorher hörte ich, dass es an diesem Tag darauf ankommt, wie der Prüfer drauf ist – oder wie ihm dein Gesicht gefällt. - Das motiviert natürlich unheimlich!
Die Kosten für solche „Weiterentwicklung“ trägt man natürlich selber. Aber nicht nur das: Auch die Lizenzen, die jedes Jahr wieder beim DMSB neu beantragt werden müssen, müssen aus eigener Tasche bezahlt werden!
Man reist also als ‚Anwärter‘ quer durch Deutschland, um seine ‚Pflichtveranstaltungen‘ zu besuchen, weil man sonst nicht weiter kommt. Dafür erhält man keinen Cent, bezahlt alles aus eigener Tasche!
Ich habe zwei Jahre gebraucht um das durchzuziehen. Es war dann schon frustrierend im zweiten Jahr, nach meiner ersten Veranstaltung zu erfahren, dass einige, die nur bei der VLN als Anwärter im Einsatz waren, auch die Prüfung machen durften und auch bestanden haben. - Weil es einen neuen Prüfer gab, der sich – mehr oder weniger – um nichts gekümmert hat.
Die Prüfung konnte man in der Gruppe lösen und die Pflichtveranstaltungen, die eigentlich die Voraussetzung zur Prüfung, also Pflicht waren, die wurden ihnen dann auch noch geschenkt.“

Das ist dann wohl nicht gerade motivierend. - Was haben Sie sich da gedacht?

„Nee, da macht mal wieder alles keinen Sinn! - Da gibt es dann Leute, die eine Lizenz haben und auch entsprechend als LS eingesetzt werden, die keine Ahnung haben von dem was sie tun und dann auch noch dir gegenüber weisungsbefugt sind.“

Und nun?

„Wissen Sie, ich habe jahrelang alles mitgemacht und fast alles über mich ergehen lassen, nur um ein Teil des Ganzen, des von mir geliebten Motorsports, zu sein. Nun macht das keinen Sinn mehr. Um nicht mitschuldig zu werden, habe ich mich entschlossen nicht mehr ein Teil des Ganzen zu sein!“

Soweit ein Blick von Motor-KRITIK „hinter die Kulissen“, um meinen Lesern ein Eindruck davon zu vermitteln, dass der Motorsport – unter „Aufsicht“ des DMSB – nicht nur äußerlich „krank“, sondern dass der gesamte Motorsport-Organismus – zumindest in Deutschland – „krank“ ist.

Ein Teamchef dazu gestern in einem Telefongespräch mit mir:

„Der Werteverfall betrifft doch unsere ganze Gesellschaft. - Warum sollte der Motorsport eine Ausnahme sein?“

MK/Wilhelm Hahne
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