Auch eine Pressemeldung kann nachdenklich machen!

Eigentlich war es nur eine kleine Pressemeldung, die mir auf den Tisch flatterte und die mich zunächst nur lächeln ließ. Dann habe ich mir die Zeit genommen, mich zurück zu lehnen und darüber nachzudenken, ob so kleine Veränderungen bei der Fachpresse, nicht nur grundsätzlich etwas über den Journalismus – in unserer Zeit – aussagen, sondern auch etwas über unsere Gesellschaft. - Es ist durchaus nicht so, dass man als Fach-Journalist den „Rest des Lebens“ nicht wahrnimmt. Durch meine Erfahrungen auf einem bestimmten Gebiet, arbeite – und bearbeite – ich zwar Themen eines Fachbereichs, aber natürlich hat auch der ganz normale Alltag – und die Veränderungen die ich wahrnehme – Einfluss auf die Themenauswahl für meine Geschichten. Die Anregung zu solchen Geschichten kann auch dadurch erfolgen, dass die Themen anderswo gar nicht aufgegriffen werden oder die Akzente darin – selbst wenn man darüber irgendwo liest – irgendwie als falsch gesetzt empfunden werden müssen. - Das mag evtl. an einer unterschiedliche Einschätzung der Situation – schon durch kürzere oder bessere Erfahrung bedingt – liegen oder auch daran, dass jemand als Journalist nicht der Überbringer einer schlechten Nachricht sein möchte. - Schließlich weiß man, was heute bei den Lesern „gut ankommt“. Da werden Umfragen gestartet und ausgewertet, aber nicht nur bei der Leserschaft, gesplittet nach unterschiedlichen Altersgruppen, sondern auch bei den fürs Geschäft wichtigen Anzeigenkunden. Denn Zeitungen und Zeitschriften sind immer – zu allen Zeiten – der Spiegel der jeweiligen Gesellschaft gewesen. Blickt man „nur“ mal ein paar Jahrzehnte zurück, so wird deutlich, dass sich da einiges verändert hat.

Auch eine Pressemeldung kann nachdenklich machen!

Zunächst die „kleine Pressemeldung“. Sie ist wirklich kurz, zu kurz für jene, die sich keine Gedanken machen können, weil sie die Entwicklung nicht verfolgt haben. Der Verlag informierte so:

„Stuttgart, 23. November 2020 – Aufgrund der erneuten Erkrankung von Ralph Alex übernimmt Michael Pfeiffer kommissarisch die Chefredaktion von AUTO MOTOR UND SPORT. Diese führt er gemeinsam mit Birgit Priemer.

Die kommissarische Chefredaktion von MOTORRAD wird Uwe Seitz übernehmen, bislang stellvertretender Chefredakteur von MOTORRAD und Redaktionsleiter von PS. Die Leitung von PS behält er bis auf weiteres in Personalunion bei.“

Die meisten meiner Leser werden „auto motor und sport“, oft kurz mit „ams“ benannt, kennen. Das ist ein Fachblatt mit Vergangenheit. Ich kenne nicht nur diese Zeitschrift schon als Kind, sondern auch seinen Vorgänger, „Das Auto“. Auch einer der Gründerväter des heute agierenden Motor-Presse-Verlages – wo „auto motor und sport“ erscheint - ist mir nicht unbekannt: Paul Pietsch.

Der ist im Alter von 100 Jahren im Jahre 2012 gestorben. Lange vorher haben wir uns mal gegenüber gesessen, weil er mich als Chefredakteur für seine Zeitschrift „MOTORRAD“ verpflichten wollte.

Einer seiner – damals – leitenden Mitarbeiter hat das mit einem Tritt gegen sein Bein verhindert. - Unter‘m Tisch! - Man hat mir dann später – Achtung! Taktik! – einen Vertrag als „fester Freier“, für alle Fachzeitschriften des Verlages tätig, zu einem Garantiebetrag angeboten, den ich dann aber – nachdem ich ein wenig recherchiert hatte – dankend abgelehnt habe.

Nicht nur das ist mir beim Lesen dieser o.g. Notiz eingefallen, mit der ein normaler Journalist eigentlich auch wenig anfangen kann, weil sie unvollkommen ist! - Wo kommt z.B. Michael Pfeiffer her?

Ralph Alex ist ein Chefredakteur „im Stil der neuen Zeit“, nicht gerade der „Gesprächspartner in Augenhöhe“ für die Techniker der Automobilindustrie. Unter seiner Leitung ist „auto motor und sport“ aber bisher ganz im Interesse der Verlagsgeschäftsführung weiter „die“ Automobilzeitschrift von Bedeutung in Deutschland. Eine Zeitschrift, die sich auf dem Couchtisch im Wohnzimmer auch dann gut macht, wenn mal Besuch kommt. - „Auto-Bild“ hat die höhere Auflage, ist aber – wie mir ein Leser schreibt , dann mehr – „Toiletten-Lektüre“.

Aber natürlich ist die heutige „auto motor und sport“ nicht mehr die „ams“ von früher. Die Zeitschrift ist mit der Zeit gegangen. Über die Zeit ist das Interesse der Leser an der Technik von Automobilen auch geringer geworden. Darum ging die Auflage zurück, darum sank die Zahl der Abonnenten.

Da kommt auch ein Chefredakteur „unter Druck“! - Unter diesem Druck hat Ralph Alex wohl auch gelitten und ist leidend geworden, so dass man jetzt – s. Pressemitteilung – kommissarisch – Michael Pfeiffer auf den Stuhl des „ams“-Chefredakteurs gehoben hat.

Doch der war zuletzt – und das schon viele Jahre – Chefredakteur der im gleichen Verlag erscheinenden Zeitschrift „MOTORRAD“. Die Lücke dort wurde – auch kommissarisch – mit seinem bisherigen Stellvertreter, Uwe Seitz, geschlossen, der aber auch immer noch – zusätzlich – die Position eines „Redaktionsleiters“ bei der Zeitschrift „PS“ – auch eine Motorradzeitschrift – ausfüllen muss.

Zwar ist die in der o.g. Pressemitteilung erwähnte Birgit Priemer auch als Chefredakteurin im Impressum von „auto motor und sport“ ausgewiesen, aber deren Aufgabe liegt mehr in der Schaffung eines Umfeldes, der die Bedeutung von „auto motor und sport“ im Markt verstärken soll: Kongresse, Events, wie die Leserwahl - und ähnliches – sind primär ihr Verantwortungsbereich.

Klappern gehört heute mehr denn je zum Handwerk! - Denn der neue kommissarische Chefredakteur von „auto motor und sport“ kann sicherlich seine Aufgabe gegenüber den Lesern – und der Geschäftsleitung – erfüllen, aber kaum für die notwendigen Kontakte zu Technikern der  Automobilindustrie ein Gesprächspartner auf Augenhöhe sein. - Er kennt eigentlich niemand dort und für die „Dortigen“ ist er auch ein Unbekannter. - Da muss die Visitenkarte Eindruck machen!

Eigentlich keine gute Ausgangsposition für eine führende Automobil-Fachzeitschrift. - Vielleicht ist darum auch der Text der Presseinformation so wenig ausführlich. Es wird aber – immerhin – ein telefonischer Kontakt angeboten. - Falls man noch Fragen hat!

Aber welcher Kollege hat da wohl Fragen? - Wer ist auf diesem Gebiet so kenntnisreich, dass er fragen würde?

Auch ich habe keine Fragen. Weil ich mich erinnere, dass es – auch beim Motor-Presse-Verlag – schon mal die Situation gab, dass man den Chefredakteur von „auto motor und sport“ zum Chefredakteur von „MOTORRAD“ machte. Was dann damals den BMW-Vorstandsvorsitzenden, Eberhard von Kuenheim, dazu brachte kurz und knapp festzustellen:

„Das ist das Schöne bei euch Journalisten: Ihr braucht von nichts was zu verstehen und könnt über alles schreiben!“

Ich verbürge mich für diese Aussage! - Herr von Kuenheim machte sie in meinem Beisein gegenüber Helmut Luckner, der den BMW-Vorsitzenden gerade darüber informierte, dass er – vorher Chefredakteur von „ams“ - nun an die Spitze der Motorrad-Zeitschrift des Verlages berufen worden war.

Heute, wo denn der Chefredakteur von „MOTORRAD“ der von „auto motor und sport“ wird, würde die gleiche Feststellung wieder passen.

Aber muss man heute noch etwas von einer Sache verstehen, wenn eigentlich von der Industrie nur erwartet wird, dass ein Journalist die Technik auf der Basis von Presseinformationen als gelungen darstellt und damit quasi nur noch als Multiplikator von Presseinformationen zu funktionieren hat?

Übrigens verdankt auch Motor-KRITIK seinen Titel dem Motor-Presse-Verlag, der diesen – wie ich finde: passenden – Titel mal mit gekauft hatte, ihn eine Zeitlang bei seiner inzwischen eingestellten Zeitschrift „mot - auto-journal. Vereinigt mit Motor-Rundschau + kritik“ weiterleben ließ, um ihn dann einzustellen – weil er wohl nicht, obwohl schon angepasst - in unsere moderne Zeit passte.  – Motor-Kritik wurde dann im Stuttgarter Archiv vergessen! -

Nach angemessener Wartezeit habe ich den Titel „Motor-KRITIK“ dann wieder aufleben lassen. Motor-KRITIK passt zwar scheinbar nicht in die Zeit, es gibt aber immer noch viele Leser – die wohl auch zeitlos – ihre Freude an einer kritischen, gut recherchierten journalistischen Informationsschrift für die Branche haben.

Die war Motor-KRITIK schon in den 20er Jahren, damals in Berlin erscheinend. - Wenn man einmal bei „Wikipedia“ nachschaut, ist dort zu lesen:

„Motor-Kritik war eine progressive Automobil-Zeitschrift, die zwischen 1922 und 1945 erschien. Vorläufer war das Magazin Klein-Motor-Sport von 1922 bis 1928. Nach 1945 wurde das Blatt mit der Motor-Rundschau vereint, die wiederum an die Zeitschrift Mot verkauft wurde und während der 1960er Jahre unter dem Titel ‚Mot. Auto-Kritik‘ erschien.“

Das ist lange her. Motor-KRITIK war als Titel tot. - Ich habe ihn – weil ich an den Wert dieses Titels für meine Leser glaube – wieder aufleben lassen. - Zunächst auf Papier, aktuell im Internet.

Die Wahrscheinlichkeit ist leider groß, dass er mit meinem Ableben sterben wird.

  • Wer sollte eine Publikation unter diesem Namen, gleich welcher Art, auch mit Leben erfüllen?

Verleger und Verlage sind heute primär an wirtschaftlichen Erfolgen interessiert. Die lassen sich nun mal „in unserer Zeit“ nicht unter einem Titel wie „Motor-KRITIK“ verwirklichen.

Wir leben in einer „Alles-ist-gut-Zeit“! - Gute Journalisten lassen heute evtl. ihre guten Ideen zu wichtigen Geschichten schon  mal „im Kopf sterben“, weil sie die Chefredaktion sowieso nicht genehmigen würde. - Weil man so die gute Arbeit der Anzeigenabteilungen untergraben würde. - Und die eigene Position gefährden!

Ist Corona nicht schlimm genug?

MK/Wilhelm Hahne
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